Passend zum gestrigen Beitrag über Kakao muss heute die Vanille erwähnt werden. Eines ohne das andere kann in der kulinarischen Welt kaum existieren. Bereits in der mexikanischen Legende heißt es, dass zwei verzauberte und gestorbene Liebende für ewig verbunden bleiben konnten, da SIE als rankenden Orchidee (Vanille) SEINE Zweige (Kakaobaum) für immer sanft umschlingen darf. Das war vor 500 Jahren oder mehr, als dieses anmutige “Gewürz” mit den spanischen Conquistadoren die europäische Welt eroberte.
Doch an dieser Stelle muss ich Ihnen den Appetit verderben. Vanillin, der Hauptinhaltsstoff dieser fermentierten Schote [4-Hydroxy-3-methoxybenzaldehyd], wurde zunächst – ab 1874 – aus den Rinden von Tannen, Fichten und anderen Nadelhölzern hergestellt. Bis vor Kurzem ging es einfacher und vor allem viel billiger: Man extrahierte die begehrte Substanz aus schwefelig stinkenden Abfällen der Papierproduktion (Lignin). Seit einigen Jahren verlässt man mehr und mehr diesen sehr umwelt-unfreundlichen Syntheseweg und stellt “natürliches” Vanillin biotechnologisch mit Hilfe von Bakterien (Streptomyces, Pseudomonas) und Schimmelpilzen her. Ich frage mich, ob wir uns damit nicht wieder für neue Allergien sensibilisieren? Man kommt ja streng genommen nicht drum herum: Bereits Babyprodukte werden vanillisiert, auch fruchtige und nussige Brotaufstriche, fast alle Süßgebäckarten, Diätnaschereien und so ziemlich alle Weihnachtsknabbereien sowieso. Ferner Parfüms, Kosmetik und sogar in Kunststoffen für Babyspielzeug befindet sich die Substanz.
Auf unseren Speiseplänen ist dieser “Lockstoff” also fast überall vorhanden. Einerseits dient er als Antioxidans, um die Haltbarkeit von Lebensmitteln zu verlängern, andererseits verleiht er Süßwaren jenen unwiderstehlichen Geschmack, der uns als Baby die Muttermilch schmackhaft machte. Und uns für immer und unauslöschbar an diese (hoffentlich) seligen Zeiten erinnert.


Der französische Chemieriese Rhodia vermarktet seit 2000 dieses “biosynthetische” Produkt namens Rhovanil Natural, das aus der Ferulasäure, die beispielsweise in Gräsern und vor allem in Reiskleie verkommt, hergestellt wird. Allerdings kostet es mit 700 Dollar pro Kilo wesentlich mehr als die umgewandelten Holzabfälle mit 15 Dollar pro Kilo. Dafür darf es ganz offiziell das Prädikat “natürlich” tragen. Ähnlich wie “natürliche” Erdbeer- und Himbeerdüfte, die neuerdings die Regale der Naturkosmetik-Drogerien füllen. Zum Vergleich die Preise von unterschiedlichen natürlichen Extrakten von Vanilla planifolia, der echten Vanillepflanze: 1 kg Vanille Bourbon CO2 Extrakt (mit 12% Vanillin) kostet bei Ronald Reike 2.600 Euro, sein Vanille Alkoholextrakt kostet 960 Euro pro Liter. 5 ml verdünntes Vanilleabsolue kostet bei Feeling 13,80 Euro, 5 ml Vanille-Extrakt (kbA) kostet bei Farfalla 8,90 Euro und bei Primavera (20-prozentig) 16,60 Euro. Ich verwende letztere fast täglich in meiner Küche für Puddings, Müslis, Honig und Gebäck. Das gute Gefühl und das feine Geschmackserlebnis sind jeden Cent wert, man benötigt ja nur wenige Tropfen davon. Man kann sich einen feinen Vanillezucker damit herstellen: Einfach ein Schraubglas mit Zucker (weiß oder braun oder sogar Demerara) füllen und 10 bis 20 Tropfen des alkoholischen Bio-Vanilleextraktes dazugeben, gut durchschütteln, mindestens eine Woche ziehen lassen und dann wie das Tütchen mit dem synthetischen Vanillezucker einsetzen.
Übrigens ist kaum bekannt, dass Vanillin in der Pflanzenwelt weit verbreitet ist – oft jedoch nur in nicht-riechbaren Spuren. Auch im Sexualsekret einer südamerikanischen Wanze kommt es vor, wie Aromatherapie-Fachfrau Ruth von Braunschweig kürzlich amüsiert berichtet hat.