Vor Kurzem wurde ich durch einen Artikel von Volkmar Heitmann auf folgende Pressemeldung aufmerksam, die besagt, dass Prostatakarzinomzellen riechen können und etwas gegen Jonon haben, den Duft von Veilchen, destillierter Iriswurzel und dem kürzlich vorgestellten Boroniaöl.

Veilchenduft stoppt Prostatakrebs
JBC: Bochumer Forscher „enttarnen“ Riechrezeptor
Hormonmetaboliten blockieren Zellvermehrung

Ein Protein mit bislang unbekannter Funktion, das in Prostatakrebszellen massenhaft hergestellt wird, haben Bochumer Biologen um Prof. Dr. Dr. Dr. Hanns Hatt jetzt als Riechrezeptor für Veilchenduft „enttarnt“. Zwar kommt in der Prostata der Blumenduft nicht vor, dafür aber ein sehr ähnlich aufgebautes Molekül als Stoffwechselprodukt des männlichen Sexualhormons Testosteron. Weitere Untersuchungen ergaben, dass dieses Steroidhormon ebenfalls den Riechrezeptor aktivieren kann und der Zelle auf einem neu entdeckten Signalweg das Kommando gibt, die Zellteilung zu stoppen. „Das heißt praktisch, dass man mit Veilchenduft das Prostatakrebswachstum anhalten kann“, spitzt Prof. Hatt die Ergebnisse zu. Weitere Tests sollen zeigen, ob die Erkenntnisse therapeutisch anwendbar sind. Die Studie ist online im Journal of Biological Chemistry veröffentlicht.

Spermien riechen Maiglöckchen, Prostatazellen Veilchen
Nachdem sie bereits Riechrezeptoren für Maiglöckchenduft in menschlichen Spermien nachgewiesen hatten, stießen die Bochumer Forscher jetzt auf einen weiteren dieser Rezeptoren, der auch außerhalb der Nase vorkommt: den Rezeptor für Veilchenduft in Prostatazellen. Um seine Funktion zu ergründen, statteten sie zunächst Nierenzellen mit dem genetischen Bauplan für das Rezeptorprotein aus und konfrontierten sie mit einer komplexen Mischung von Duftstoffen, um festzustellen, welcher von ihnen an den Rezeptor andockt und ihn aktiviert. Die Zellantwort – eine vermehrte Calcium-Ausschüttung – konnten sie mittels Calcium-sensitiven Farbstoffen beobachten. Ergebnis: Der Rezeptor hOR 51 E2 reagierte auf beta- Ionon, den klassischen Veilchenduft, und auf Steroidhormone (z.B. Dihydro-Testosteron), die in ihrer Molekülstruktur Ähnlichkeit mit dem Veilchenduft-Molekül haben. Tests mit gesunden Prostatazellen bestätigten die Ergebnisse, auch sie konnten die Substanzen „riechen“. Die Forscher machten auch die Gegenprobe, indem sie in die Prostatazellen eine Gensequenz einschleusten, die die Rezeptorherstellung unterbindet. Diese Zellen reagierten nicht mehr auf den Duft oder das Steroidhormon.

Zellwachstum nahe Null
„Die Frage war dann natürlich: Welche Funktion hat der Rezeptor in der Prostatazelle? Und welchen Signalweg löst er aus?“, erklärt Prof. Hatt. Die Forscher stießen auf eine ältere Studie, die ein Protein unbekannter Struktur beschrieb, das vor allem in Prostatakrebszellen verstärkt gebildet wird. Bei näherem Hinsehen entpuppte es sich als genau der Veilchenduftrezeptor, den die Bochumer Wissenschaftler untersuchten. Aus der Urologischen Klinik Herne der Ruhr-Universität (Prof. Dr. Joachim Noldus) besorgten sie sich daher aus Operationsmaterial Prostatakarzinomzellen für weitere Untersuchungen. Die Zellantwort auf Veilchenduft oder das Steroidhormon war erwartungsgemäß hoch, da der Rezeptor in großen Mengen vorkommt. Besonders interessant war für die Forscher jedoch die Wirkung des Veilchenduftes bzw. des Steroidhormons auf die Krebszellen: Das Zellwachstum nahm signifikant ab und sank gegen Null. Weitere Tests zeigten, dass der Signalweg ein völlig anderer ist als bei Riechzellen. Das Rezeptorsignal wird direkt an den Zellkern übermittelt, der dann dafür sorgt, dass die Zellteilungsrate reduziert wird. Untersuchungen an Mäusen sollen jetzt zeigen, ob das, was in Zellkulturen entdeckt wurde, auch im Organismus funktioniert. „Dann wird man die Erkenntnis irgendwann vielleicht therapeutisch gegen Prostatakrebs einsetzen können“, hofft Prof. Hatt.

Eva M. Neuhaus, Weiyi Zhang, Lian Gelis, Ying Deng, Joachim Noldus and Hanns Hatt: ACTIVATION OF AN OLFACTORY RECEPTOR INHIBITS PROLIFERATION OF PROSTATE CANCER CELLS. In: The Journal of Biological Chemistry, doi: 10.1074/jbc.M109.012096, http://www.jbc.org/cgi/doi/10.1074/jbc.M109.012096
Pressemeldung Nr. 148, Bochum, 18.05.2009

Das Bild zeigt Iris pallida, aus deren Rhizomen das kostbare Iriswurzelöl destilliert wird. Es duftet fein pudrig und ist so ziemlich das teuerste, was Ätherische-Öle-Firmen zu bieten haben. Erhältlich in bester Qualität, auch bezahlbar weil in Alkohol verdünnt (pur riecht es nicht so toll) bei Neumond, Farfalla und Primavera.

PS Wegen entsprechender Nachfragen: Diese Untersuchungen stecken noch in den Anfängen und werden an Zellkulturen ausgeführt und nicht an lebendigen Menschen. Veilchen riechen oder essen hilft sicherlich genau so wenig wie Iris- oder Veilchenparfüms aufzusprühen. Diese Studien stellen meiner Meinung nach jedoch möglicherweise erste Schritte in eine völlig neue Richtung der Krebstherapie dar. Ätherische Öle  bzw. sehr viele ihrer Inhaltsstoffe wirken im Laborexperiment antitumoral (siehe unter dem rechts geführten Stichworten “Krebs” und “Studien”).