Fast unbemerkt ist die vor einigen Wochen erschienene Pressemitteilung der TU München (TUM) an den meisten von uns vorbei gegangen: Forscher haben herausgefunden, dass sogar Blutzellen “riechen” können. Sie sind also mit so genannten Chemorezeptoren ausgestattet, welche auf Riechstoffe reagieren können.

Wie Prof. Peter Schieberle, Leiter des TUM-Lehrstuhls für Lebensmittelchemie und Direktor der Deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie (DFA; Leibniz-Institut) erläuterte, ging die Wissenschaft bisher davon aus, dass nur die Nase über Geruchsrezeptoren verfügt. Dass sich olfaktorische Rezeptoren auch auf anderen als den Riechzellen befinden, war somit laut Prof. Schieberle eine Überraschung.

TeilnehmerInnen von diversen Aromatherapie-Kongressen wissen allerdings seit vielen Jahren – dank der Aufklärungsarbeit von Prof. Dr. Dr. Dr. Hanns Hatt, dass man an der Uni Bochum bereits andere Zellen und deren Rezeptoren identifizieren konnte, welche auf Geruchsreize reagieren. Vor gut zehn Jahren wurden von seinem Team Spermien als riechende “Wesen” erkannt, einige Zeit später berichtete er von auf Geruchsmoleküle reagierende Herz- und Hautzellen. Hier (klick!) kann man in einem älteren Blog-Eintrag mehr dazu lesen.

Laut der Ende April 2013 veröffentlichten Pressemeldung der Arbeitsgruppe um Dr. Dietmar Krautwurst (TUM) “können Blutimmunzellen bestimmte Lebensmittelinhaltsstoffe erkennen. Der Begriff ‘riechen‘ bleibt aber dem Organ Nase vorbehalten, auch wenn es sich hier um die gleichen Rezeptoren handelt. Im Falle der Blutzellen sprechen wir von Chemorezeption.“  Primärzellen aus menschlichen Blutproben können von Duftmolekülen, die für ein bestimmtes Aroma verantwortlich sind, angelockt werden. Schieberle erläuterte ein Experiment, bei dem die Forscher einen duftenden Lockstoff auf der einen Seite einer unterteilten Multiwell-Platte und Blutzellen auf der anderen Seite aufbrachten. Die Blutzellen bewegten sich in Richtung des Geruchs.

„Es ist noch nicht geklärt, ob die Geruchsmoleküle im Körperinneren auf dieselbe Weise wie in der Nase wirken“, erklärte er. „Aber das würden wir gerne herausfinden.“ Schieberles Arbeitsgruppe arbeitet auf einem Gebiet, das sie „Sensomics“ nennen. Hierbei erforschen sie insbesondere, auf welche Weise Mund und Nase die Schlüsselsubstanzen für Aroma, Geschmack und Beschaffenheit von Nahrungsmitteln wahrnehmen, vor allem von wohlschmeckenden Nahrungsmitteln wie Schokolade und Röstkaffee.

Wer englisch lesen kann, sollte sich ich diesen Artikel über Sensomics auf der Zunge zergehen lassen, in dem zusammengefasst wird, wie die Arbeitsgruppe von Prof.  Schieberle die Geruchsmoleküle von Schokolade bzw. Kakao zerlegt hat. Sie fanden darunter ‘appetitliche Düfte’ wie Isovaleriansäure (2- and 3-methylbutanoic acids), welche schwitzig und ranzig riecht,  Dimethyltrisulfid, welches schwefelig nach gekochtem Kohl riecht und eine Komponente , die an Kartoffelchips erinnert (2-ethyl-3,5-dimethylpyrazine). Diese und andere Geruchsstoffe zusammen identifiziert unser Gehirn dann als “lecker-schokoladig-appetitlich-haben-will” (insbesondere wenn dann noch der neurotransmitter-artige Botenstoff Vanillin ins Spiel kommt).

Die Reaktion von Zellen des menschlichen Immunsystems auf Riechstoffe wirft vielleicht bald ein ganz neues Licht auf die Entstehung von Allergien. Vielleicht “schmeckt” unserem Immunsystem so einiges, das uns die Industrie auftischt, ganz und gar nicht. Umgekehrt werden möglicherweise die hervorragenden Wirkungen einiger ätherischer Öle wie Atlaszeder (Cedrus atlantica) und Zypresse (Cupressus sempervirens) auf ein völlig überreiztes und überfordertes Immunsystem besser erklärbar.

Eliane Zimmermann Schule für AromatherapieDeren Moleküle sind uns menschlichen Wesen seit “ewigen Zeiten” vertraut, sie “schmecken” uns, wir können sie gut leiden, sie duften für uns und helfen uns.  Auch der therapeutische Effekt von Einreibungen und Massagen mit natürlichen ätherischen Ölen erscheint in Anbetracht der neuen Forschungsergebnisse in einem anderem Licht: Wenn Haut- und Blutzellen “riechen” können, geben sie vermutlich (im Idealfall) wertvolle Heilungsimpulse in unseren gesamten Körper. Im besten Sinne sind Aromatherapie und Aromapflege also ein Bestandteil der Regulativen Medizin. Umso wichtiger erscheint es nun, dass wir uns möglichst NIE – oder zumindest nicht täglich – mit synthetischen Duftmolekülen umgeben und schon gar nicht unsere Haut damit be-LÄSTigen (was passiert mit der unverdaulichen LAST? wird sie irgendwo gelagert, kapselt sie sich ein? entwickelt sie ein Eigenleben, bewirkt sie Tumore?). Denn immer mehr zeichnet sich ab, dass Riechstoffe nichts anderes als Botenstoffe sind (vor einigen Jahren berichtete Ruth von Braunschweig bereits, dass Vanillin der Lockstoff einer südamerikanischen Wanze sei). Wer weiß, welche irritierenden Botschaften von menschengemachten Molekülen ausgehen mögen? Wie sehr sie uns runter ziehen können, wie sie Alarmsignale in unserem Körper verbreiten. Wie sehr sie traurig, ja depressiv machen können? Also lieber (und sicherheitshalber) in Wohlfühldüften aus der Natur schwelgen, unsere Nase zeigt den Weg.