Bevor ich zum letzten Gegenstand in meiner ‘fliegenden Wundertüte’ komme, muss ich noch kurz die Antwort auf eine Frage, die dieser Tage an mich gerichtet wurde, loswerden. Ich finde, dieses Thema ist immens wichtig und ich möchte auch anderen LeserInnen diesen Denkanstoß mitgeben.
Ich bin zu einer in einem (nicht von mir gehaltenen) Kurs empfohlenen Mischung zur Sterbebegleitung befragt worden, ob ich einen bestimmten Mix aus eher schweren Ölen wie Harzen, Hölzern und Rose ‘richtig’ finden würde.
Ich meine, man MUSS in der Sterbebegleitung noch individueller arbeiten als bei nicht-sterbenden Menschen. Es gibt kein ‘richtig’, jedoch unter Umständen ein gravierendes ‘falsch’. Wenn die betreffende Person ihren Wunschduft nicht mehr mitteilen kann, muss man ihre Duftvorlieben anhand der Biografie heraus finden (Verwandte fragen, Hobbys erfragen, Berufsvorlieben herausfinden, Themen wie Lieblingsessen, Wald, Garten, ferne Ländern, Kirche, süße Düfte etc. versuchen, herauszufinden).
Was für den einen Menschen wundervoll riecht, kann für den anderen ekelhaft sein. So oft wird beispielsweise Weihrauchöl empfohlen, ich jedoch würde beim Riechen von Weihrauch im Sterbeprozess vermutlich ganz schreckliche Erinnerungen an die als bösartig empfundenen Nonnen in einer meiner frühen Schulen bekommen. Auch Rosenduft als Öl passt mir nicht immer (frische Rosen ja), bin eher der Iris-Typ, auch Jasmin- und Magnolienduft sind so richtig meine Wohlfühldüfte. Ob diese Duftrichtung mir bei Sterben helfen würde, kann ich freilich momentan nicht abschätzen, das müsste dann in der konkreten Situation getestet werden.
Mich erinnert dieses Thema an Erfahrungen aus dem Kreißsaal. Frau hört, dass dieses oder jenes Öl ganz toll sein soll bei der Entbindung, diesen Duft haut frau dann jedoch eventuell den GeburtshelferInnen um die Ohren, weil er in genau dieser Situation ganz und gar nicht passt.
Also bitte in der Sterbehilfe keine vorgefertigten oder von fremden Personen empfohlenen Mischungen anwenden. Oder diese zumindest sehr behutsam an der betreffenden Person testen. Wenn sie es nicht mehr sagen kann, spürt man als Pflegeperson vielleicht ein Zucken der Lippen, der Hände oder eine veränderte (vertiefte oder stockende) Atmung. Fertige Mischungen duften für uns oder für die Angehörigen vielleicht supergut, doch müssen sie nicht für jedermann und jederfrau passen. Es muss nicht Weihrauch sein, auch die gerne empfohlene Iris kann nicht für jeden Menschen, der sich auf Abschiedsreise befindet, ‘richtig’ sein. Wenn beispielsweise jemand feinste Erinnerungen an seine Reise nach Sizilien in sich trägt, könnte beispielsweise ganz einfach ein frischer Zitronen- und/oder Neroliduft für diese letzte Reise perfekt sein!
Wer sein Leben lang Pfefferminzbonbons bei sich trug und vielleicht auf Urlaubsreisen lutschte, wird möglicherweise die befreiende und lösende Wirkung von einem Hauch Pfefferminzöl beim Loslassen zu schätzen wissen. Wer die schönste Zeit seines Lebens in Australien verbrachte, erfreut sich vielleicht sogar über den “schnöden” Teebaum- oder Eukalyptusduft beim Überschreiten der Regenbogenbrücke.
Also ist mein Rat, in diesem letzten Lebensabschnitt ganz besonders behutsam mit der Auswahl von Düften zu sein und die Dosierung sehr niedrig zu halten, man orientiere sich an Baby-Verdünnungen von 0,5 bis 1 Prozent, eventuell sogar darunter. (Die Verdünnungstabelle im Scheckkartenformat zum kostenlosen Runterladen und Laminieren befindet sich hier, klick! auf meiner Website, sie wird demnächst renoviert).
Liebe Eliane,
du hast ein sehr “heißes” thema angesprochen … welchen duftbegleiter wünscht sich jemand bei seiner reise über die regenbogenbrücke? wünscht er sich überhaupt einen duft oder doch etwas anderes? was wissen wir wirklich? wir bleiben noch auf der seite vor dem regenbogen und haben nicht die erfahrung, wie es ist darüber zugehen… hat der duft vielleicht eher die funktion uns zu begleiten? wonach wählen wir den duft aus, nach literatur- oder studienlage? nach unserem wohlempfinden, in der hoffnung damit auch dem reisenden etwas gutes zu tun? du hast ganz wichtige aspekte bei der duftauswahl angesprochen … beobachten, achtsam sein und das eigene wollen zurücknehmen … spüren, präsent sein, sich auf diese situation voll einlassen, so kann es eine “heilende” (im sinne von heilwerden) duftbegleitung werden.
im gegensatz dazu: “ja, ich habe teebaumöl” genommen, weil es mir so gut gefällt”… schaut man osmologisch/duftkommunikatorisch auf das teebaumöl, so tauchen worte auf, wie: meinen raum einnehmen, dafür sorgen, dass mir niemand MEIN terrain strittig macht, (notfalls) bin ich zum kampf bereit (pharmakologisch “putzt” es weg was nicht gesundheitsfördernd ist). wieviel sinn macht es, einem sterbenden menschen “aufzufordern”, er solle sein terrain verteidigen? liebt er allerdings australien, so wie du schreibst, dann steht TT in einem viel erfreulicherem kontext und schenkt ihm ein inneres lächeln…
bei der auswahl der düfte ist auch zu schauen, reicht ein einziges ÄÖ, mit einem ganz speziellen informationsinhalt oder ist es sinnvoller eine mischung den vorzug zugeben, in der ein mögliches “thema” schützend eingehüllt ist. jeder duft eines ÄÖ trägt die information über seine quelle in sich (Ohloff), d.h. die morphologie der pflanze, ihre “überlebensstrategie” und ihre vergesellschaftung in der pflanzen-/umwelt ist als information für uns wahrnehmbar. unsere duft-erlebnis-datenbank öffnet den dazugehörigen “gefühls-link”.
interessant wäre, inwieweit sind CO2-extrahierten düfte in der sterbebegleitung von vorteil? diese düfte sind dem pflanzenduft sehr, sehr nahe (allerdings vorsicht bei ölen mit scharfstoffen, z.b. ingwer, sie werden ebenfalls erhalten). ÄÖ, die durch destillationsverfahren gewonnen werden, tragen ein altes alchemistische prinzip in sich: trennen und zusammenfügen, quasi einen transformationsprozess, der durchaus eine herausforderung an/für den duftwahrnehmenden sein könnte…
Eliane, hab ganz herzlichen dank für diesen beitrag. er weisst wunderbar auf die sensible und ganz individuelle Interaktion der düfte, als begleiter für die regenbogenreise hin…
Herzliche Grüße
Christine
Liebe Eliane, vielen Dank für diesen sehr einfühlsamen Artikel und auch mein Dank an Christine für ihren Beitrag. Ich dachte spontan darüber nach, was ICH denn gerne in dieser Situation riechen würde.
Im Sterben meiner Mutter habe ich ihr ganz spezielles Parfüm, das ich ihr schon vorher – wärend der langen Demenz – angefertigt hatte, genommen. Das kannte sie gut und schnupperte immer wieder daran. Ich denke, im Beruf ist es noch wieder anders als im privaten Kreis. Der Artikel hat mich ermutigt, mich JETZT doch darum zu kümmern, was Menschen, die ich liebe, denn eigentlich gerne riechen…….
Liebe Eliane,
vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel von Dir,
es ist immer wieder schön, solches von Dir zu lesen.
Herzliche Grüße
Astrid
Liebe Eliane,
vielen Dank für diesen einfühlsamen Beitrag. Ich finde es immer schwierig, bei psychischen Mißbefindlichkeiten eine Rezeptur für jeden Menschen zu verwenden und sie nicht individuell auszuschnuppern.
Durch meine Arbeit mit Hunden habe ich die Erfahrung gemacht, dass es sehr schwierig ist, DEN Duft für den Weg über die Regenbogenbrücke zu finden. Für den Tierhalter, der völlig neben sich steht, weil er nicht loslassen kann, wird oft eine völlig andere Rezeptur benötigt, als für die Fellnase, die ja entspannt und angstfrei diesen Weg antreten soll.
Bei Menschen empfinde ich es ähnlich – meine Mama liebte Lavendel, dieser Duft war für sie ihr Leben lang sehr kostbar. Mein Bruder kann Lavendel überhaupt nicht riechen, für ihn ist dieser Duft mit sehr negativen Empfindungen belegt- was also tun, wenn man beiden gerecht werden möchte. Es erfordert viel Einfühlsvermögen, damit dieser letzte Weg für die Angehörigen und den Sterbenden gleichsam friedlich und entspannt wird. Wir haben es gut gelöst – mein Bruder bekam eine Mischung für die Mama, die ihrer Lieblingsseife (Maja) glich und der Lavendel blieb dann für mich.