Der Verein zur Förderung der naturgemäßen Heilweise nach Theophrastus Bombastus von Hohenheim (genannt Paracelsus) hat das bei uns gut etablierte Gewürz aus der Familie der Myrtengewächse mit dem Zungenbrechernamen Syzygium aromaticum (L.) Merr & Perry zur Heilpflanze des Jahres 2010 gekürt. Somit werden nun auch mal ihre medizinischen Eigenschaften ins Bewusstsein gerückt, die bislang hauptsächlich Zahnärzte zu würdigen wussten. Darum ist der Duft dieser exotischen Blütenknospen in unseren Breiten leider auch oft negativ besetzt. Es wird also Zeit, andere ihrer Tugenden kennen zu lernen.

Der aus dem griechischen stammende wissenschaftliche “Vorname” bezieht sich auf die Worte syn (zusammen) und zygon (Joch), damit beschreiben Botaniker die haubenartig-spitz zusammengewachsenen Blütenblätter, siehe Zeichnung unten, Detail ganz links oben. Der deutsche Name Nelke kommt von Nagel, da die getrockneten Blütenknospen an Nägel erinnern. Mehr zu den Namen dieses faszinierenden Baumes, der von den Molukken stammt, auf den tollen Gewürzseiten von Gernold Katzer.

Der einstige wissenschaftliche Name Eugenia erzählt von der traditionellen Anwendung der leicht angetrockneten Blütenknospen des großen Baumes aus den Molukken. Eu kommt von „gut, wohl“ und die Wortfamilie genia/genus umfasst Wörter wie Gattung, Geschlecht, Geburt und Erbinformation. Das Menschengeschlecht kann nur fortbestehen, wenn es gute Geburten gibt, diese fördert bis heute das ätherische Öl der Gewürznelke. Ein anderer alter Name ist: Caryophyllus aromaticus.

Der ganze Baum ist aromatisch bis zu den Wurzelspitzen. Im deutschsprachigen Handel befinden sich meistens ‘nur’ zwei leicht unterschiedliche Öle: aus den Nelkenknospen und aus den Blättern. Haupt-Exporteur ist heutzutage Sansibar, die Insel hat sich auf die Produktion des weltweit verwendetetn Gewürzes spezialisiert.

Nelkenknospenöl (meine folgenden Infos und Rezepte beziehen sich darauf) duftet durch einen Anteil von bis zu einem Viertel an aromatischen Estern (u. a. Eugenylactetat) besonders fein und blumig. Nelkenblätteröl duftet etwas stechender, ist auch preiswerter, jedoch weniger gut verträglich. Sowohl Knospen- als auch Blätteröl wirken durch einen hohen Gehalt des Phenols Eugenol (bis 90%) stark antibakteriell, jedoch auch stark hautreizend, deshalb ist es wichtig, auf eine starke Verdünnung achten. Der Anteil an β-Caryophyllen kann beim beim Knospenöl circa 15 Prozent ausmachen, dieses Sesquiterpen verleiht dem Öl entzündungshemmende und antiallergische Eigenschaften, es hilft, ein aus den Fugen geratenes Immunssystem zu regulieren. Viele Insekten mögen diesen Duft gar nicht und werden in die Flucht getrieben, so dass Nelkenöl zu den insektifugen Mitteln zählt, traditionell spikt der Metzger damit Zitronen um Fliegen zu vertreiben.

Die Ergiebigkeit bei der Destillation der Nelkenknospen ist ungewöhnlich hoch (15-18%),  aus circa 50 kg erhält man circa 1 Liter Öl (aus den Blättern kann man circa 2 Prozent destillieren). Dennoch wird es oft mit dem billigeren Blätter- oder Stieleöl verschnitten. Synthetisches Eugenol und Isoeugenol ist laut Maria Lis-Balchin, einer bekannte britische Aromaforscherin, zu teuer, um damit zu fälschen und zu strecken.

Bekannt ist die Anwendung dieser fast pfeffrig duftenden Öle in der Zahnheilkunde, da sie – nicht nur – im Mund sehr anästhetisch wirken. Nelkenknospenöl wirkt stark schmerzlindernd und erwärmend bei rheumatischen Schmerzen und verhärteter Muskulatur. Auch bei Bronchitis, Fieber, Erkältung und Halsschmerzen und vor allen Dingen bei Mandelentzündungen wird es gerne verwendet. In selbst hergestellten Mundwässern wird der Duft/Geschmack, der gleichzeitig Bakterien reduziert, geschätzt.

Nelkenknospen- und Nelkenblätteröl wirken anregend und stärkend auf die Gebärmuttermuskulatur. Darum dürfen beide Öle in der Schwangerschaft nur in Ausnahmefällen und unter fachlicher Anleitung verwendet werden. In Aromatherapie erfahrene Hebammen nutzen diese Wirkung jedoch gerne zur Einleitung einer verzögerten Geburt – als Gewürznelkentampons und/oder in einem ‘Wehencocktail’. Bei vielen Geburten gibt es den Zeitpunkt, wo Gebärende für diesen schmerzhemmenden Kick und die damit verbundene seelische Unterstützung wirklich dankbar sind.
Ätherische Gewürznelkenöle müssen immer stark verdünnt angewendet werden, da sie stark haut- und schleimhautreizend sind und sollten streng genommen nur von gut geschulten oder zumindest in Aromatherapie erfahrenen Menschen verwendet werden.

Gewürznelkenöl ist ein generell kräftigendes und stimulierendes Öl, das bei physischer und psychischer Erschöpfung sehr gut einsetzbar ist.

Rezept für eine Grundmischung zur Prophylaxe von Heuschnupfenbeschwerden, ab sofort anzuwenden, damit im Frühling die Tränen-schnief-Saison besser überstanden wird (auch für Kinder ab 3 Jahre, dann Ätherisch-Öl-Anteil halbieren):

  • 2 ml  (40 Tropfen) Cedrus atlantica oder C. deodara, Atlaszeder oder Himalajazeder
  • 2 ml  (40 Tropfen) Cupressus sempervirens, Zypresse
  • 0,5 ml (10 Tropfen) Citrus limon, Zitronenschale
  • 0,5 ml (10 Tropfen) Myrtus communis Ct. alpha-Pinen, Myrte Anden
  • 0,5 ml (10 Tropfen) Syzygium aromaticum, Gewürznelkenknospe

Gut in einem 5-ml-Braunglasfläschchen mischen. Von dieser Grundmischung jeden oder jeden zweiten Tag ein wenig in unterchiedlichen Anwendungen verwenden: 5 Tr. in der Duftlampe, zwei bis drei Tropfen auf feuchtem Handtuch auf der Heizung, 6 bis 8 Tropfen in etwas Honig oder Sahne (Obers) vermischt in der Badewanne, 30 Tr. in 50 ml Wodka als Raumspray oder Decolleté-Spray (indirekt in die Nähe von Kragen, Schal etc sprühen), 5 Tropfen in etwas Honig oder Sahne (Obers) vermischt in 5 l Fußbad, 5 Tr. in 10 ml Jojobaöl auf Pulsgegend am Handgelenk.
Ganz vereinzelt findet man übrigens ein Absolue der Gartennelke auf dem Markt, meistens jedoch sind Nelkendüfte synthetischer Herkunft.

Wie ich kürzlich hier berichtete, spricht der Bestandteil Eugenol Sensoren im menschlichen Darm an, so dass vermehrt der “Happylizer” Serotonin ausgeschieden wird. Ist doch eine tolle Erfindung, in der dunklen Jahreszeit Gebäck und auch herzhafte Gerichte (zB Rotkohl, Braten) mit dem Nelkengewürz abzuschmecken, so dass die Stimmung steigt.

PS: Viele (der ausgezeichneten, circa 400) Botanik-Zeichnungen findet ihr im Köhler’s Atlas der Medizinal-Pflanzen und auch auf der Seite von Thomas Schöpke. Da sie so alt sind (1887 erschienen), dass sie ohne Copyright belegt sind, könnt ihr sie zur Illustration eurer Unterlagen verwenden.

Zeichnung: Köhler’s Atlas der Medizinal-Pflanzen