Weil über Monoterpenketone und Sesquiterpenketone viele Missverständnisse kursieren, widme ich mich heute den Ketonen.
Zunächst: Beide sind Inhaltsstoffe in ätherischen Ölen, beide sind aliphatische Kohlenwasserstoffe, das sind kettenartige Gebilde, bestehend aus 10 Kohlenstoffatomen (Monoterpenketone) oder 15 (Sesquiterpenketone). Man stelle sich einfach zwei Perlenketten vor, eine kürzer und halsnah, die andere etwas länger. An beiden Ketten hängen dekorative Anhänger, nämlich in der Form eines O mit zwei Haken/Ösen/Verbindungsgliedern/Ärmchen: =O Man kann sich das Gebilde auch als Lego-Mäuerchen vorstellen, wie oben abgebildet oder so, wie die Chemiestudenten es als Kalottenmodell nachbauen.
Im linken Foto ist eine Kette aus 5 Kohlenstoffatömchen abgebildet, man muss sich diese also doppelt so lang für ein Monoterpenketon vorstellen und dreimal so lang für ein Sesquiterpenketon. Und man sollte sich an Schulzeiten erinnen:
- Kohlenstoff hat vier Bindungsmöglichkeiten (“Ärmchen”)
- Wasserstoff (die weißen Kugeln) hat eine Bindungsmöglichkeit
- Sauerstoff (die rote Kugel) hat zwei Bindungsmöglichkeiten
Immer und ewig und überall und ohne Ausnahme – zumindest in diesem unseren Universum.
Wenn sich das Sauerstoffatom per Doppelbindung (also beide Ärmchen an einem einzigen Kohlenstoffatom) inmitten einer bestimmten 10-er-Kohlenstoffkette hängt, heißt das ganze Ding Monoterpenketon, wenn es eine bestimmte 15-er-Kohlenstoffkette “dekoriert”, dann heißt das Gebilde Sesquiterpenketon.
Lassen wir jetzt einfach mal die Sesquiterpenketone beiseite, sie sind beispielsweise in Atlaszedernöl und dem extrem hochpreisigen ätherischem Irisöl enthalten und gelten generell als harmlos. Heute soll es um einige ihrer temperamentvolle kleinen Brüder gehen. Diese können es faustdick hinter den Ohren haben. Und genau darum sollten Öle, die diese einen hohen Anteil dieser Inhaltsstoffe enthalten, nicht im klinischen Umfeld verwendet werden und schon gar nicht im privaten Bereich. Es sei denn, man ist gut in der Duftchemie geschult.
Im Visier der “Patientenschutzpolizei” befinden sich darum einige Monoterpenketone:
- Borneon (Kampfer)
- Pinocamphon und Isopinocamphon
- Pulegon
- Thujon
Wenn ätherische Öle also mit diesen Gesellen gewürzt sind, heißt es “Vorsicht” und “Genauer hinschauen!”. Ihre Vorteile sind zwar nicht schlecht, denn sie wirken in isolierter Form mehr oder weniger:
- konzentrationsfördernd, gehirnanregend, neuroTONISCH
- wundheilend, narbenheilend bei Verletzungen
- schleimlösend bei Husten und Bronchitis
Doch ihre Unarten sind für Laien oft nicht auf den ersten Riecher zu erkennen, diese können sein:
- bei Überdosierung auf ein empfindliches Nervenkostüm krampfanregend bis hin zu neuroTOXISCH (Borneon, Pinocamphon, Isopinocamphon und Thujon), das kann für Embryos und Kleinkinder tödlich sein, für Epileptiker im schlimmsten Falle auch
- zwei von ihnen wirken auch direkt abortiv und sind darum nicht für schwangere Frauen geeignet (Pulegon und Thujon)
Pulegon ist von den bekannteren Ölen nur in Poleiminzeöl (Flohminzeöl, Mentha pulegium) enthalten. Thujon ist in manchen Salbeiölen (Salvia officinalis) reichlich enthalten, gute Firmen achten auf einen geringen Anteil. Und in Thujaöl (Thuja occidentalis), das die bekannteren Firmen nicht verkaufen, kleinere seriöse Firmen verkaufen es eher als Sammelobjekt für Kenner, doch leider findet man es ab und zu bei “No-Name-Firmen” auf dem Flohmarkt o.ä. wo Null Ahnung den Verkauf begleitet. Pinocamphon und Isopinocamphon sind bis zu 80 Prozent in Ysopöl (Foto ganz unten) enthalten (Hyssopus officinalis).
Borneon, der Kampfer, ist ein wunderbarer Stoff für (erwachsene oder pubertierende) Morgenmuffel und Lerndussel, wenn er nicht übertrieben angewendet wird. Er kann in Rosmarin- und Salbeiöl reichlich enthalten sein, er ist auch in Schafgarben-, Speiklavendel, Lavandin- Schopflavendel- und vielen anderen Ölen enthalten. Das Öl aus den Blättern des schönen riesigen Kampferbaumes (Foto unten) besteht etwa zur Hälfte aus diesem Riechsalzstoff aus alten Zeiten. Beim Rosmarin wird der Chemotyp Borneon/Kampfer meistens deklariert, wenn nichts auf dem Etikett steht oder das Rosmarinöl sehr preiswert ist, handelt es sich meistens um das Öl aus Spanien, das reich an Kampfer ist.
Nun bleiben noch eine Menge an monoterpenigen Duft-Inhaltsstoffen, die auch wie ihre Vettern auf -ON enden, diese gelten bei sachgemäßer Anwendung als jedoch ungefährlich:
- Carvon (in Dill, Fenchel, Kümmel, Spearmint)
- Fenchon (in Bitterfenchel)
- Jasmon (in Jasminabsolue)
- Menthon (in manchen Eukalyptusarten und Pfefferminze)
- Verbenenon (in Rosmarin Ct. Verbenon)
Über Folgende ist die Wirkung – soweit ich weiß – unbekannt, man meidet intensive und/oder innere Anwendungen sicherheitshalber ganz.
- Crypton (in manchen Eukalyptusarten)
- Piperiton (in manchen Eukalyptusarten)
- Tageton (in Tagetes)
Monoterpenketone haben die Eigenart – anders als die meisten anderen Inhaltsstoffe in ätherischen Ölen, die innerhalb von wenigen Stunden den Körper verlassen-, dass sie sich einige Tage in der Leber aufhalten können. Bei zu intensiver oder innerer Anwendung können sie sich in diesem Organ regelrecht anreichern. Je nach Gesundheitszustand der Leber kann das bedenklich sein. Wenn sie also leicht oder stark toxisch sind, mögen sie bei kurzer, äußerlicher und/oder wohldosierter Anwendung kein Problem darstellen, bei innerem und hochdosiertem Einsatz können sie Vergiftungserscheinungen verursachen. Das kann anfänglich Schwindel und/oder Übelkeit sein, und sich dann bis hin zur Bewusstlosigkeit entwickeln.
Wer Spaß an diesem bildlichen kleinen Exkurs in die “Dufte Chemie” gefunden hat, darf sich auf meine regelmäßig stattfinden Kurse in Bern und Wien freuen.
Toll Eliane, deine, ach so notwendige Aufklärung über Monoterpen-Ketone.Hoffentlich lesen alle, die sich mit innerer Einnahme von Salbei ( bis 60%) und Tagetes (50-60% Tageton) “heilen” möchten.
Liebe Eliane,
deine Erklärungen sind so erfrischend und verständlich….einfach toll!!!
Ich freue mich auf das neue Buch.
Liebe Grüße
Sabrina
Liebe Eliane,
ich habe erst jetzt richtig verstanden wie diese chemische Reaktionen funktionieren. freue mich auf die Fortsetzung in Konstanz.
Liebe Grüße
Gordana
Hej Eliane,
wie schön, dass Dir immer wieder was Neues einfällt, dass Du uns lehren kannst – wie schön, dass es Dich gibt
da bin ich aber froh dass Du dich dieses Themas so intensiv annimmst.
Auf das Buch bin ich schon gespannt. Wird sehr hilfreich sein für die Praxis.
Tagetes einnehmen? Igitt.
Ist das Thujaöl das was Prof Wabner in seinem Buch irgendwo als “Immergrünöl” bezeichnet?
Ein für viele trockenes Thema spannend erklärt, vielen Dank! Als Pharmazeut durfte ich dies ja zur Genüge im Studium exerzieren.
Aber eine kritische Frage hab ich dann doch: Aus den Blättern des Kampferbaumes (Cinnamomum camphora) wird doch Ho-Blätter gewonnen! Das enthält ja praktisch kein Borneon. Oder zusammen mit den Zweigen Ravintsara?! Und aus Holz /Rinde (Wabner) das Kampferöl????
Kannst Du bitte dies noch mal erläutern?
Lieben Dank und schneeige Grüße aus München.
Ein fuer viele trockenes Thema (Chemie) lesbar aufbereitet. Kompliment.
Aber eine Frage bleibt: Wird aus den Blaettern von Cinnamomum camphora nicht Ho-Blaetter bzw. Ravintsara, wenn man die Zweige
mitdestilliert, beide mit keinem bzw. niedrigen Borneonanteil? Und vor allem aus dem Holz Kampheroel?
Bitte um Aufklaerung!
Liebe Gruesse aus dem verschneiten Muenchen!
Liebe Eliane,
vielen Dank für die Lego-Baustein-Erklärung. Ich hab das alles in meinem Lernheft stehen, selbst geschrieben, vorgedruckt etc.
Wie schön, Deine Erklärungen hier auch noch einmal zu lesen.
Ich geb zu, ich muss das alles noch öfters lesen, um es wirklich zu begreifen. Da fehlt mir wohl ein Lego-Baustein irgendwo.
Aber ich finde es interessant – trotzdem.
Ich hoffe, Dein Hausfrauen-chemie-Handbuch wird bald erscheinen. Ist genau das richtige für mich (und ich hoffe, es wird auch diesen Titel haben. Nur weiß ich nicht, welche Emanzipatorinnen dieser Titel auf den Plan ruft 🙂
LG Heidi
Hallo aus Berlin.
Hab gerade gesehen, daß es nun ein WP-Blog ist und da wollte ich fragen, ob ich den Link in meiner Blogroll neu ausrichten soll? (Wenn es als Linktausch gedacht ist!)
Gruß Erik
Liebe Eliane,
jetzt, eine Woche vor der Prüfung, glaube selbst ich die Chemie fast verstanden zu haben – unglaublich.
Das hätte ich nicht gedacht 🙂
Ich bin auf Dein Buch schon sehr gespannt.
Bis bald
LG Angela
Liebe Eliane,
ich gebe zu ich bin ein Chemiemuffel, aber bei Ihren tollen und verständlichen Erklärungen könnte sich das tatsächlich ändern. Ich freue mich schon sehr auf das Buch.
Duftende Grüße
Kordula
P.S.
Ich habe schon mehrmals versucht mich bei Facebook anzumelden . Es erscheint leider immer ” Sie sind nicht berechtigt” Na ja ich habe da keinen Durchblick mehr. Graus der Technik
Hallo Eliane
Ich lese mir immer wieder gerne deine wunderbaren einfachen und treffenden Erklärungen über die Chemie.
Das hilft mir das Gelernte wieder aufzufrischen.
Vielen Dank
Gabriele
Ich habe mir reines Bio-Spearmint-Öl gekauft, um es mit Teebaumöl zu mischen und dann einen Tropfen ins Wasser zu tun für eine Mundspülung (Mundwasser) nach dem Zähneputzen. Setzte ich mit jetzt wegen der Ketone oder anderen Inhaltsstoffen Gefahren aus?
carvon, das monoterpenketon in spearmint (und kümmel) ist in den lebensmittelähnlichen verdünnungen (circa 1-2%) nicht als toxisch einzustufen.
Schon ein bisschen kompliziert und verwirrend für mich, ich muss es doch immer wieder nachlesen……aber ich habe es tatsächlich in der Ausbildung bei Sandra Ananda nicht ausreichend übermittelt bekommen.- Stattdessen hat sie aber immer wieder auf dich, liebe Eliane, verwiesen, was Gold wert ist- vielen Dank!!!!
Oh was für ein nettes Lob, danke! Ganz genau erkläre ich diese Dinge spielerisch mit vielen Eselsbrücken und “Bastelideen” im 12-Stunden E-Learning-Kurs Die Freundlichen Moleküle – die Duftchemie https://e-learning.sela.info/catalog/info/id:160
Liebe Eliane,
Erst einmal möchte ich von Herzen Danke sagen, dass ihr in eurem Podcast und auch auf euren Seiten so unglaublich wertvolles Wissen ganz einfach und einfach so weitergebt.
Ich bin Aroma-Laie und noch nicht gut vertraut aber versuche mir, so gut es geht, ganz viel Hintergrundwissen anzueignen, um der großen Welt der „Kraft der Natur“ gerecht zu werden. Ich bin selbst erstaunt, wie sehr mich das alles begeistert.
Nun habe ich eine (Laien-)Frage:
Du schreibst in diesem Beitrag: „Monoterpenketone haben die Eigenart – anders als die meisten anderen Inhaltsstoffe in ätherischen Ölen, die innerhalb von wenigen Stunden den Körper verlassen-, dass sie sich einige Tage in der Leber aufhalten können. Bei zu intensiver oder innerer Anwendung können sie sich in diesem Organ regelrecht anreichern. Je nach Gesundheitszustand der Leber kann das bedenklich sein.“
Und, dass Rosmarin reichlich Monoterpenketone (Borneon) enthalten kann.
Und im Podcast habe ich gehört, dass zur Unterstützung der Leber beispielsweise Kompressen mit Olivenöl, 2 Tr Limetten, Rosmarin (verbenon), Karottensamen sinnvoll sein können.
Ist es dann also in dieser Art Anwendung/Verdünnung für die (zu unterstützende) Leber kein Problem, mit dem Rosmarin „umzugehen“?
Viele Grüße, Sarah
Der Bezug mancher Monoterpenketone zur Leber kann leider nicht verallgemeinert werden. So genau kennt man die Mechanismen ohnehin nicht. Manche wirken dort in der Leber leicht toxisch (vor allem bei innerlichen Überdosierungen), andere machen das Gegenteil. Verbenon im teuersten Rosmarin hat erfahrungsgemäß eine eher “reinigende” Funktion. Rosmarin allgemein wirkt auf die Fettverdauung, seit Jahrhunderten weiß der Mensch, dass er zB zu fettem Hammelbraten und Lammfilet einen Rosmarinzweig reicht, die Verdauungsmedizin ist gleichzeitig Gewürz und Geschmack”Verstärker”.
Die leicht toxischen Wirkungen sind, wie oft betont, fast nur bei Einnahme aktiv (alles was wir schlucken muss ja u.a. von der Leber bearbeitet und verdaut werden), bei Hautanwendungen gibt es selten Toxizität.
Vielen Dank für die Erklärung!
🙏