Diese Überschrift führt gerne zu hartnäckigen Diskussionen, starren Wort-Gefechten, religionsartigen Glaubensäußerungen. Ich hatte unter “Ein perfektes Paar” bereits vor über zwei Jahren darüber geschrieben. Da ich mir heute den wunderbaren Artikel über “Hahnemann und das Riechen” des Arztes für Naturheilkunde Dr. Erwin Häringer* zum wiederholten Male zu Gemüte führte, dachte ich, dass dieses Thema einen erneuten Eintrag wert sein könnte.

Samuel Hahnemann (1755-1843), der Begründer der Homöopathie lebte in einer Zeit, in der das Spüren, Beobachten und ganzheitliche Be-Greifen einer Sache oder eines Zustandes noch mit viel Sorgfalt betrieben wurde. Es gab damals noch kein Wissen um Bakterien oder gar Viren, es gab nur eher steinzeitliche Operationsmethoden, es gab kein elektrisches Licht und kein hochauflösendes Mikroskop. Es war jedoch eine Zeit, die kurz vor dem Ausbruch des noch heute gültigen stark materialistisch orientierten Weltbildes stand.

Hahnemann war zwar studierter Arzt, jedoch gehörte er auch den Freimauern an (was sich damals wie heute keineswegs ausschloss!), war also sehr spirituell/religiös orientiert. Sein Vorgänger als Vorstand der Leipziger Loge war ein großer Verfechter von Düften und Räucherungen und dürfte den späteren Vater der Homöopathie in diese Richtung beeinflusst haben. Die Methode des Riechens an hochgradig verdünnten Substanzen entstand in dieser Zeit (1813/14).

Zehn Jahre später findet man sogar das ‘R’ auf manchen seiner Verordnungen, man weiß heute, dass es nicht die Abkürzung für “Rezeptur/Recipe” bedeutet, sondern zum Riechen auffordert. Ob durch diesen kleinen Buchstaben das Missverständnis vieler klassischer Homöopathen entstanden ist, dass (manche) Riechstoffe schädlich für die erfolgreiche homöopathische Behandlung sein könnten? Zumindest deutet er darauf hin, dass der ganzheitlich arbeitende Mediziner das Riechen damals für wichtig, heilsam, therapeutisch befand.

Vielleicht ist das Riechen von Naturdüften sogar eine wertvolle Ergänzung zur homöopathischen Behandlung, Aromatherapie als eine Art Verdünnungsmedizin???? Möglicherweise muss man nur die synthetischen Riechstoffe wie menthollastige Labor-Minzen und standardisierte Kamillentinkturen zu den Antidoten der Kügelchen-Therapie zählen.

Die meisten von uns AromatherapeutInnen und AromaexpertInnen jedenfalls haben hervorragende Erfahrungen mit der Kombination beider Therapieformen. Vorausgesetzt, wirklich genuine ätherische Öle werden sinnvoll verdünnt eingesetzt und nur perkutan oder inhalativ verabreicht (für die innere Einahme von ätherischen Ölen scheinen tatsächlich andere Regeln zu gelten). Ich zitiere den modernen Arzt Dr. Häringer mit Praxis in München:

Ätherische Öle und Kosmetika bewirken im Allgemeinen keine Antidotierung; interessanterweise triff das auch für Zigaretten und Alkohol in Maßen zu. Die häufige unkritische Ablehnung der Aromatherapie durch Homöopathen ist unseres Erachtens nicht gerechtfertigt, da bis auf wenige Ausnahmen keine Wirkungsabschwächung stattfindet. Hier hilft nur die konsequente Arzneimittelprüfung.

Solange die Aromatherapie als echte Osmologie** betrieben wird, besteht keine Schwierigkeit in der Kombination mit homöopathischen Mitteln. Anders ist es jedoch bei der in Frankreich und Italien Verbreitung der oralen Anwendung von ätherischen Ölen. Hier sollte ein zeitlicher Abstand gewahrt werden.”

* in einem alten Forum Essenzia-Heft
** wie sie beispielsweise von Martin Henglein gelehrt wird und von seiner Schülerin Myrtha Gächter praktiziert wird