Anwendungsfehler und Vergiftungen

Bei der Behandlung mit einer dem jeweiligen Menschen angemessenen Dosis sind Unverträglichkeitserscheinungen unwahrscheinlich. Bei einer Ganzkörpermassage werden zwischen vier und fünfundzwanzig Prozent des ätherischen Öles in den Körper aufgenommen, also bei 10 ml fettem Öl und 6 Tropfen ätherischem Öl (3%) maximal anderthalb Tropfen: circa 37 mg (Balacs/Tisserand). Die Aufnahme bei Inhalationen und Bädern liegt auch in diesem Bereich. Die orale Einnahme beträgt meistens auch ein bis zwei Tropfen, jedoch im Gegensatz zu Massage oder Bad eher dreimal täglich. Diese Menge ist für die meisten Menschen gut verträglich — vorausgesetzt es wurde in Honig oder Sahne emulgiert. Nur Öle mit neurotoxischen Ketonen oder haut-/schleimhautreizenden Phenolen sind für die orale Einnahme – zumindest über einen Zeitraum von mehr als einer Woche – nicht geeignet. Jedoch gibt es Menschen, die denken, alles Natürliche sei in jeder Dosis gut und berge keine Nebenwirkungen, und auch solche die nach dem Motto handeln “viel hilft viel”. Glücklicherweise fallen die potentiell gefährlichen Öle durch ungewöhnliche oder strenge und bittere Gerüche auf und schützen so fast automatisch vor Überdosierung. Es sind dann schon eher verantwortungslose Rezepte in unqualifizierten Büchern oder Zeitschriftenartikeln und zweifelhafte Tipps von selbsternannten Öle-Experten, die gelegentlich Menschen verunsichern oder vielleicht sogar schädigen.

Extreme Vergiftungen mit ätherischen Ölen scheinen sehr selten zu sein, es gibt nur verhältnismäßig wenig dokumentierte Fälle. Selbst dann ist es schwierig nachzuvollziehen, welche Qualität und welche Chemotypen von Ölen verwendet wurden. Vergiftungserscheinungen treten bei unsachgemäßer (innerlicher) Verwendung von bestimmten monoterpenketonhaltigen Ölen auf, die in Deutschland teilweise gar nicht erhältlich sind: Beifuß, Eberraute, Flohminze, Thuja, Ysop, Weinraute, Wermut. Ebenso sollten Kalmus, Rainfarn, Cade, Sassafras, Wintergrün und Zwergkiefer nicht von Laien angewendet werden. Allergische Reaktionen treten auch bei den besten ätherischen Ölen gelegentlich auf, vor allem bei bekannter Allergie gegen Korbblütler.

Erste Hilfe

Als erste Hilfe bei versehentlichem Verschlucken von ätherischem Öl kann fettes pflanzliches Öl eingenommen werden. Es verdünnt das ätherische Öl; somit wird die Kontaktfläche auf den Schleimhäuten wird nicht zu massiv. Beim Schlucken von phenolhaltigen Ölen sind Verätzungen der Schleimhäute möglich. Viele falsche Dosierungen passieren in der Badewanne, da hier das warme oder heiße Wasser die Poren öffnet und so zu einem viel stärkerem Kontakt mit dem Öl führt. Bei Überdosierung auf der Haut wird ebenfalls mit fettem Öl verdünnt. Die Monoterpene in Zitrusessenzen wirken hier sehr schnell wie tausend spitzen Nadeln auf der Haut, diese ansonsten sehr harmlosen und preiswerten Öle werden häufig zu ausgiebig ins Bad geschüttet. Bei empfindlichen Menschen können die Monoterpene in den Nadelölen ähnlich wirken . Ein typischer Fehler ist auch das Baden in “einigen” Tropfen Pfefferminze-oder gar Ackerminzeöl (z.B. “Japanisches Heilpflanzenöl”). Das darin enthaltene Menthol kann nicht nur die erwärmte Haut sehr reizen, es führt auch sehr schnell zu einem übermäßigen Frieren, das sich weder durch das warme Wasser noch durch dicke Decken beheben läßt. Auch hier hilft allenfalls das Verdünnen bzw. Abreiben mit fettem Öl. Muskatellersalbei in Massagemischungen oder sogar nur in der Duftlampe kann die Wirkung von Alkohol — auch in kleinen Mengen — bei empfindlichen Menschen sehr verstärken. Ich habe dies bei einigen Anlässen erleben können, allerdings handelte es sich um eine verhältnismäßig harmlose Albernheit und Unkonzentriertheit bei den betreffenden Personen. Ein Bekannter stolperte jedoch sehr dumm auf seiner Treppe, nachdem seine allabendliche Ration Rotwien von einer sehr muskatellersalbeibeladenen Duftlampe begleitet wurde, am nächsten Morgen beobachtete er noch ein sehr fahriges Verhalten im Straßenverkehr. Dies ist zu beachten bei der Behandlung von alkoholkranken Menschen aber auch bei der eigenen Anwendung, z.B. die Duftlampe mit Muskatellesalbeiöl zur Stimmungshebung bei einem gemütlichem Breisammensein mit einem Gläschen Wein. Danach kann das sichere Autofahren beeinträchtigt sein.

Ganz offiziell: Was tun, wenn ätherisches Öl ins Auge gerät?

Sind die Augen mit einem ätherischen Öl, das entsprechend der Gefahrstoffverordnung mit einem schwarzen “X” auf orangenem Hintergrund gekennzeichnet ist, in Kontakt gekommen, muss laut Sicherheitsratschlag „S26“ der EG-Richtlinie 92/32/EWG folgende Erste-Hilfe-Maßnahme eingeleitet werden: Die Augen sofort gründlich mit Wasser abspülen und den Arzt konsultieren.
Im praktischen Leben sollte man also das Auge ausgiebig mit so viel Wasser wie möglich spülen, am besten unter dem fließenden Wasser. Da durch den Reiz vermehrt Tränenflüssigkeit produziert wird und da der Augenschließreflex ohnehin vermutlich nur geringste Mengen ätherisches Öl ins Auge gelassen hat, wird dieses mit dem fließenden Wasser ausgespült. Von einer Reinigung mit Pflanzenöl oder anderen fetten Substanzen wird abgeraten, da die wässrige Schleimhaut des Auges durch Fette unnötig gereizt werden würden.

Quellen: http://www.forum-essenzia.org und http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31992L0032:DE:HTML