Manukablüte, Leptospermum scoparium

Die Pflanze als lebendiges Wesen reagiert auf ihre Umgebung. Neben vom Menschen gemachte Einflüsse, beispielsweise durch den Einsatz von Pestiziden, können folgende Faktoren die Zusammensetzung von ätherischen Öle aus namentlich gleichen Pflanzenarten mehr oder weniger stark beeinflussen.

Faktor Geografie

Der Standort der öleliefernden Pflanze spielt eine entscheidende Rolle bei der Zusammensetzung des entsprechenden ätherischen Öles. Im Fall vom ätherischen Öl aus den Zweigen des neuseeländischen Manukabaumes (Foto oben) sind sich die erfahrenen Aromatherapeuten einig, dass der Chemotyp, der in der East Cape-Region Neuseelands wächst, den höchstmöglichen therapeutischen Nutzen aufweist. Die Öle aus dieser Region bestehen zu circa einem knappen Drittel aus beta-Triketonen (zyklische Polyketone), die für die starke keimtötende Wirkung verantwortlich sind (Christoph 2001).

Ob ein Eukalyptusöl (Eucalyptus globulus) aus Portugal oder aus Brasilien kommt, ein Lavendelöl (Lavandula angustifolia) aus Frankreich oder England, ein Rosmarinöl (Rosmarinus officinalis) aus Tunesien oder Frankreich, ein Weihrauchöl (Boswellia) aus Somalia oder Tunesien, ein Salbeiöl (Salvia officinalis) aus Italien oder Kroatien, ein Lemongrasöl (Cymbopogon flexuosus) aus Indien oder Guatemala, ein Benzoe-Resinoid (Styrax benzoe) aus Sumatra oder Siam/Thailand – der unterschiedliche Boden, die Klimaverhältnisse sowie die Menge und der Winkel der Bestrahlung mit dem ultravioletten Anteil des Lichtes spielen bei der Qualität der daraus gewonnenen Öle eine Rolle.Teilweise sind diese Qualitätsunterschiede rein subjektiv, werden also nach dem persönlichen Geruchsempfinden beurteilt, teilweise sind sie jedoch objektiver Natur, da je nach therapeutischem Einsatzgebiet bestimmte Ansprüche an das Spektrum der Inhaltsstoffe gestellt werden. Bei oben genannten Beispielen wird oft jeweils die erstgenannte Herkunft bevorzugt.

Ein Öl aus Thymian, der in Meereshöhe wächst, weist einen erheblich höheren Anteil an Carvacrol auf als das Öl von einer etwas höher gewachsenen Thymianpflanze, die mehr Thymol enthält. Je höher sie an Berghängen wächst, desto mehr der Monoterpenole Thujanol und – noch etwas höher – Geraniol kann sich entwickeln. Auf 1500 m wächst schließlich der begehrte hautfreundliche Thymian Ct. Linalool (Wabner 1997/1998).

Faktor Herstellungs-Tradition

Jedoch nicht nur der Ort als solcher spielt bei ätherischen Ölen eine Rolle. In manchen Ländern werden alten Traditionen entsprechend spezielle Methoden bei der Destillation angewendet, die das Ergebnis wiederum beeinflussen können. Beispielsweise werden die Zweige der Myrte [Myrtus communis] in türkischen Betrieben sofort nach dem Schnitt destilliert. Das Ergebnis ist ein frisch duftendes, ganz helles Öl mit fast fünfzig Prozent 1,8-Cineol-Anteil. In Marokko und Tunesien dagegen lässt man die Zweige leicht antrocknen, das daraus hergestellte ätherische bräunlich-rötliche Öl enthält nur minimal Cineol. Es ist somit besser für Kinder und empfindliche Menschen geeignet, da Cineol die Schleimhäute der Atemwege reizen kann.

Faktor Zeit

Im Laufe der Jahreszeiten – und bei einigen Pflanzen wie Melisse [Melissa officinalis] sogar der Tageszeiten – kann die Menge eines bestimmten Inhaltsstoffes stark variieren, siehe Grafik. Neben dem Entwicklungsstand der Pflanze spielt die Menge des einwirkenden Sonnenlichtes und die Lufttemperatur eine entscheidende Rolle. Zum Beispiel enthält Bergbohnenkraut (Satureja montana) im Winter hauptsächlich Monoterpene, im Spätsommer dominieren die Phenole (Carvacrol). Das gleiche gilt für Thymian: Bei der Frühjahrsernte finden wir circa 30% Thymol, bei der Herbsternte schon 60–70% (Carle 1993).

Faktor Verarbeitung

Jedoch nicht nur der Zeitpunkt der Ernte entscheidet über die Verteilung der Inhaltsstoffe eines ätherischen Öles, auch der Verlauf der anschließenden Destillation beeinflusst dessen biochemisches Profil. Bei der Destillation eines therapeutisch wirksamen Schafgarbenblüten-Öles [Achillea millefolium] ist es beispielsweise wichtig, den Höhepunkt des Chamazulen-Gehaltes abzuwarten, denn dieser Inhaltsstoff ist für die antiinflammatorische Wirkung verantwortlich. Gleichzeitig ist nach dieser Destillationszeit von 60 Minuten der anfangs erhöhte Anteil an potenziell hautreizendem Sabinen wieder um mehr als die Hälfte gesunken (Wagner & al.).

In zwei unterhaltsamen webSeminaren zu je circa 45 Minuten beleuchten Sabrina Herber und Eliane Zimmermann dieses Thema:
:: Eukalyptus, Lavendel & Thymian – Hilfe, so viele Naturdüfte, gezielte Anwendungsmöglichkeiten

:: Myrte, Minze & Rosmarin – Gleiche Namen, völlig unterschiedliche Wirkungen und Nebenwirkung

Literaturnachweis
Aquel MB: Relaxant effect of the volatile oil of Rosmarinus officinalis on tracheal smooth muscle. J Ethnopharmacol. 1991 May-Jun;33(1-2):57-62
Belaiche, P: Traité de Phytotherapie et d’Aromathérapie Band 1-3. Paris 1979
Carle, R: Ätherische Öle – Anspruch und Wirklichkeit. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 1993
Christoph F: Chemische Zusammensetzung und antimikrobielle Eigenschaften der ätherischen Öle von Leptospermum scoparium J. R. et G. Forst. und anderer Teebaumöle der Gattungen Kunzea, Leptospermum und Melaleuca unter besonderer Berücksichtigung von Handelsölen. Dissertation zur Erlangung des naturwissenschaftlichen Doktorgrades des Fachbereiches Chemie der Universität Hamburg. Hamburg 2001
Franchomme, P; Pénoël, D: L’ Aromathérapie Exactement. Edition Roger Jollois, Limoges 1990
Price S, Price L: Aromatherapy for Health Professionals. Churchill Livingstone 1995
Wabner D, Häringer E: Vorlesungsmanuskript Etherische Öle in Therapie, Kosmetik und Parfümerie, Wintersemester 1997/1998. Eigenverlag Garching bei München
Wagner S, Mandl M, Hans H and Boechzelt H: Changes in the qualitative and quantitative chemical composition during steam distillation in pilot plant scale of essential oils of Achillea millefolium L., Salvia sclarea L. and Melissa officinalis L.; poster for Joanneum Research Forschungsgesellschaft mbH, Graz
Zimmermann E: Aromatherapie für Pflege- und Heilberufe, 6. Auflage Sonntag Verlag 2018