Nun haben wir bereits gelernt, wie Kohlenstoff seine Bindungen eingeht. Er kann übrigens auch unter sich bleiben, also alle vier Gliedmaßen ausschließlich mit seinesgleichen beschäftigen, also einen Haufen oder eine Kugel oder ein Gitter nur aus Kohlenstoff bilden. Das nennt der Mensch dann Diamant (superharter Edelstein). Oder in einem anderen Fall Graphit (Bleistiftmine). Auch der Ruß von Kamin und Kerze ist so ein Kohlenstoff-Clübchen. Aber wir wollen es ja lieber duftend haben, weiter geht’s.

AiDA AromatherapyKohlenstoff bildet auch gerne Fünfergrüppchen, diese spielen für die belebte Natur und für unsere Gesundheit eine wichtige Rolle. In diesem Fall kommt etwas Gymnastik auf seine Arme und Beine hinzu, denn er bildet in dieser Fünferkette so genannte Doppelbindungen. Zwei seiner Arme verbinden sich mit zwei Armen des kettennächsten Kohlenstoffs. Die restlichen Arme und Beine greifen jedoch zum bewährten Wasserstoff H, wie wir es in der letzten Lektion gelernt haben. AiDA AromatherapyDiese Fünferkette aus Kohlenstoffatomen ist ein spezielles Molekül, das auf den Namen Isopren getauft wurde. Es heißt weltweit so, allenfalls mal mit geringen Abweichungen wie einem Akzent.

Ein unter Chemikern ganz berühmter “Ahne” ist der Entdecker der ‘Isoprenregel’ Otto Wallach (1847-1931). Er bekam 1910 den Nobelpreis für Chemie für seine Erkenntnisse im Bereich der organischen Chemie, mit denen erstmalig Qualitätsstandards in der Parfümindustrie möglich wurden. Vieles von dem, was wir heute zum Thema ätherische Öle wissen, haben wir ihm zu verdanken. Natürlich singen auch die Hersteller von synthetischen Düften ein hohes Lied auf seine Forschungsergebnisse.

Diese speziell “zusammengestrickten” Fünferpakete aus Kohlenstoff mit einer Doppelbindung mittendrin sind die Ausgangs-Sets für viele dem Menschen wichtigen größere Moleküle (hoffentlich ist Ihnen noch die Fünferreihe aus dem Einmaleins geläufig!!!!). Zweimal fünf ergibt, ja richtig, zehn und hat in dieser speziellen Konfiguration irgendwann einmal den Namen Monoterpen (auch einfach nur Terpen) erhalten. Weltweit und überall.

Monoterpene sind Riechstoffe und werden von der Natur als Lock- und Abwehrstoffe, als antimikrobielle “Kampfstoffe” und als Antioxidanzien eingesetzt. Neuerdings gibt es immer mehr wissenschaftliche Arbeiten, die auch eine antikanzerogene Wirkung belegen, also sind es Stoffe, die Krebs verhindern oder zumindest mindern können). AiDA AromatherapyEs handelt sich um fettlösliche (lipophil) und wasserabstoßende (hydrophob) Moleküle, die den Fetten bzw. Fettsäuren zwar in der Struktur ähnlich sind, aber eben nicht ölig sind.

Der Name Terpen stammt vom Terpentin, das der Maler und Anstreicher benutzt, es ist das destillierte Harz vieler Nadelbäume (anders als Tannennadel oder Kiefernnadelöl in unseren Koffern, welche aus den Nadeln der jeweiligen Bäume destilliert werden). Wenn unsere terpen-reichen ätherischen Öle oxidieren, also alt werden, riechen sie zunehmend nach Terpentin.

Sollte also Ihr Zitronen-, Orangen-, Weißtannen- oder Fichtennadelöl irgendwie ans Maler- und Lackierergeschäft erinnern und kaum noch fruchtig oder waldig, gehört es nicht mehr auf Haut und Schleimhaut. Leider sind in natura die Ketten nicht so schön übersichtlich kettig aufgebaut, sondern man muss sie sich im dreidimensionalen Bereich und zudem verschlungen vorstellen, aber grundsätzlich kann man sie auch folgendermaßen visualisieren (und mit Tomaten oder Kastanien so nachbauen):AiDA AromatherapyDie schlauen Isopreneinheiten können aber noch mehr als sich nur zu “verdoppeln”: Fünf mal drei ist fünfzehn und heißt dann in der Fachsprache Sesquiterpen. Es sind also 15 Kohlenstoffatome und drei Doppelbindungen in dieser Kette zu verzeichnen. Alle freien Bindungsmöglichkeiten darüber hinaus sind mit “einarmigen” Wasserstöffchen besetzt. Das ist dann schon ein recht dickes-fettes-schweres Molekül und lässt sich nicht mehr so gerne per Wasserdampf aus den Duftpflanzen raus jagen. Darum kommt es in ätherischen Ölen fast immer nur in Spuren vor, selten in großen Mengen. Viermal fünf, also eine solche Zwanzigerkette, gar ist schon fast unmöglich aus dem Grünzeug mit Hilfe von Wasserdampf zu extrahieren, es heißt Diterpen und ist in unserer Duftwelt schon eine Rarität.

Aus weiterer Multiplikation erstellt die Natur Steroide her, welche die Grundsubstanzen für unsere Geschlechtshormone und auch für die Stresshormone darstellen, sie enthalten dreissig (+/-) Kohlenstoffatome. Und wenn wir unsere Fünfermultiplikation noch weiter betreiben, kommen wir zu den Carotinoiden bzw. auf Vitamin A mit 40 Kohlenstoffatomen in der Kette, pflanzliche Farbstoffe, die genau wie die Monoterpene zu den wichtigen Sekundären Pflanzenstoffen zählen (SPS) und die genauso fettlöslich sind.

AiDA AromatherapyInsgesamt sind über 8.000 Terpene bekannt und circa 30.000 terpenartige (terpenoide) Verbindungen. Man kann als Aromainteressent erahnen, wie wichtig und grundlegend unsere Zehnerkettchen für den Weiterbau zu anderen Substanzen sind. Vielleicht hat die Natur sie deshalb (oft) so unwiderstehlich duftend gemacht, damit wir uns magisch von ihnen angezogen fühlen. Und wie gut, dass wir uns in diesem Kurs (fast) nur mit Zehnergruppen beschäftigen müssen, davon sind auch nur einige wenige für die Duft-Chemie relevant.

Für heute gilt: Dritter Lernsatz der Aroma-Chemie: Kohlenstoffketten mit 10 Kohlenstoffatomen und (mindestens) zwei Doppelbindungen heißen Monoterpene. Diese wirken antimikrobiell, antioxidativ, schmerzlindernd und einige davon gegen Krebsgeschwüre. Anders als die oben abgebildete Bausteinkette handelt es sich um verzweigte Moleküle im 3-D-Raum, wie das Beispiel Limonén rechts zeigt (Betonung auf der letzten Silbe!). Davon bald mehr.