Von der Ruhr-Universität Bochum werden wir regelmäßig mit spannenden Erkenntnissen rund um das Riechen versorgt. Erst letzte Woche sah ich im deutschen Fernsehen, wie für einen Produkt-Test einer großen Schuhkette lange getragene Schuhe von Riechexperten auf den gespeicherten Geruch hin untersucht wurden, also mit der Nase beschnuppert. Prof. Dr. Dr. Dr. Hanns Hatt wurde in diesem Zusammenhang zu neu gefundenen Geruchsrezeptoren befragt (eher gegen Ende der Sendung in der ARD). Wie überraschend, diese Signal-Empfangs-Organe riechen Käsegeruch 😉 .

Vor ein paar Tagen wurde eine Pressemeldung veröffentlicht, in der über neue interessante Vorgänge im menschlichen Gehirn, vor allem in der ‘Erinnerungs- und Riechzentrale’ unseres Gehirns, dem Hippocampus, berichtet wird. Dieses kleine Nervenorgan ist auch eine der ersten Strukturen, die bei einer Alzheimer-Erkrankungen sozusagen kaputt gehen, das nicht mehr Riechen-Können kann also ein Indiz für diese und einige andere neurodegenerative Erkrankungen sein (muss aber nicht!).

Die im Folgenden zusammen gefassten Experimente an der Uni Bochum und an der Uni Düsseldorf untermauern meine Empfehlung, beim Lernen von umfangreichen Themen, wie etwa ‘Chemie der Düfte’, Wirtschafts-Englisch, Physik-Klassenarbeit oder auch Theaterrollen unbedingt die Nase zu beteiligen und jedem Fach beim Pauken einen speziellen Duftmix zuzuordnen. Bei der Prüfung oder der Vorstellung hilft dieser Geruch dann, das betreffende gespeicherte Gedankengut besser “anzuzapfen”. Ein befreundeter Schauspieler und Regisseur, Peter Bamler, nutzt diese Erkenntnisse, um sich auf ganz unterschiedliche Stücke und Rollen vorzubereiten. Insbesondere wenn er parallel mehrere Projekte in sein Hirn dreschen muss, hilft die Begleitung mit Düften enorm. Doch lesen Sie selbst, was man nun in Bochum und Düsseldorf heraus gefunden hat:

‘‘ Die Nase denkt mit.
Unser Geruchssinn beeinflusst, wie unser Gehirn die Informationen über neuartige Objekte abspeichert. Ein bestimmter Bereich im Hippocampus spielt dabei eine besondere Rolle.

Aus Kinderspielzeug Versuchsobjekte gebaut
Wenn wir Neues kennenlernen, nehmen wir die Informationen darüber mit allen Sinnen auf. Wie das Gehirn diese Eindrücke abspeichert, haben jetzt Neurowissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf untersucht. Dabei bedienten sie sich einer besonderen Methode.

Mit einem Konstruktionsspielzeugsystem für Kinder kreierten sie neuartige Objekte, die den Probanden vorher nicht bekannt waren. So konnten sie untersuchen, wie die Testpersonen Objekte wahrnehmen, ohne die Ergebnisse durch vorherige Erfahrung zu verfälschen.

Geruchssinn ist wenig erforscht
Das Team um Prof. Dr. Boris Suchan von der Abteilung für klinische Neuropsychologie der RUB und Prof. Dr. Christian Bellebaum vom Institut für Experimentelle Psychologie der Heinrich-Heine-Universität ist besonders an der Rolle des Geruchssinns interessiert, da dieser im Vergleich zu anderen Sinnen noch wenig erforscht ist.

In der Trainingsphase zeigten die Forscher den Probanden verschiedene unbekannte Objekte und setzten gleichzeitig einen jeweils spezifischen Geruch frei. Zum Vergleich stellten sie den Testpersonen andere Objekte ohne Geruch vor. Die Probanden durften die Objekte anschauen, jedoch nicht anfassen.

In der anschließenden Untersuchung im Magnetresonanztomografen (MRT) mussten die Versuchspersonen auf Bildern erkennen, ob es sich um ihnen bekannte oder unbekannte Objekte handelt. Die Wissenschaftler beobachteten derweil, welche Regionen dabei im Gehirn aktiv waren.

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Hippocampus integriert verschiedene Sinneseindrücke
„Die Analyse der Gehirnaktivität hat uns gezeigt, dass der rechte vordere Hippocampus stärker aktiviert ist, wenn die Objekte mit einem Geruch verbunden waren“, erklärt Suchan. Über die Ergebnisse berichten die Forscher in der Zeitschrift „Behavioural Brain Research“.

Als Schaltzentrale für Erinnerungen ist der Hippocampus an vielen Gedächtnisprozessen beteiligt. Die Studie zeigt, dass es innerhalb dieser Gehirnregion einen speziellen Bereich gibt, der involviert ist, wenn Erinnerungen an Gerüche verarbeitet werden.

Die Forscher vermuten zudem, dass an dieser Stelle auch die Informationen verschiedener Sinneseindrücke zusammengeführt werden. Ob dies nur für Sehen und Riechen gilt oder auch für andere Sinne, muss nun weiter erforscht werden.

Förderung
Mit der Frage, wie Sinneseindrücke im Gehirn abgebildet werden und zu Gedächtnis führen, beschäftigt sich seit 2010 der Sonderforschungsbereich (SFB) 874 an der Ruhr-Universität Bochum, der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird. Die aktuelle Studie entstand im von Prof. Dr. Boris Suchan geleiteten Teilprojekt B8 des SFB 874, das sich mit der perzeptuellen Funktion des Hippocampus beschäftigt. ‘‘

Originalveröffentlichung. M. Ghio, P. Schulze, B. Suchan, C. Bellebaum (2016): Neural representation of novel objects associated with olfactory experience, Behavioural Brain Research, DOI: 10.1016/j.bbr.2016.04.013   Text: Annegret Kalus   ::   Abbildung Hippocampus: Henry Vandyke Carter, Henry Gray (1918) Anatomy of the Human Body