Ich erinnere mich gut an meine Begeisterung, als 2004 der Nobelpreis für Medizin an Linda Buck und Richard Axel ging, die dem Riech-Vorgang endlich besser auf die Spur gekommen waren. Zwar war das damals für mich nichts wirklich Neues, denn dank der großartigen Vorträge, die ich von Prof. Dr. Dr. Dr. Hanns Hatt kannte, war ich recht gut in Bilde. Als ich dann einige Jahre später von der neuartigen Diagnose-Methode zum Aufdecken von neurodegenerativen Krankheiten wie Morbus Parkinson und Morbus Alzheimer lernte, war ich noch begeisterter.
Wieder etwas später erfuhr ich, dass Krebszellen Geruchsmoleküle ausdünsten, je nach Krebsart unterschiedlich. Und dass entsprechend trainierte Hunde teilweise zu 95 Prozent die korrekte Diagnose stellen können. Immer wieder denke ich einfach nur „wow“, das Riechen ist so wichtig, so entscheidend, so hilfreich, so rudimentär. Doch die Medizin kümmert sich nicht wirklich drum.
Riechstörungen nach viralen Infektionen
Dann kam das Virus und Professor Dr. Hendrik Streek von der Universität Bonn (wo ich einst viele Semester lang spannende und mich prägende Vorlesungen in Humanmedizin besuchte), der meines Wissens nach als erster beobachtete, dass bei Covid-19 der Geruchssinn sehr häufig beeinträchtigt ist. Dieser lange völlig vernachlässigte Sinn rückt also derzeit wieder mal in den Fokus der Wissenschaft.
Zwar ist bereits lange bekannt, dass bei und nach etlichen viralen Infektionen immer wieder mit Riechstörungen gerechnet werden muss, doch gehört das Abfragen nach den Riechfähigkeiten beim Verdacht auf eine Infektion mit dem aktuellen Bösewicht inzwischen offenbar zur Routine. Denn zum Bild der „nur“ Infektion oder gar Erkrankung gehört diese gut erfassbare Beeinträchtigung. Gemäß einer neuen Studie (Oktober 2020) des University College London (UCL) sogar zum eindeutigsten Symptom. Es wurden Daten aus ärztlichen Versorgungszentren in London im Frühling ausgewertet. Das war die erste Welle der Coronavirus-Pandemie. 567 TeilnehmerInnen, die über Geruchs- und/oder Geschmacksverlust klagten, wurden durch die Studienärzte per Online-Befragungen betreut und auch auf SARS-CoV-2-Antikörper untersucht. Bei 77,6 Prozent der befragten Personen fiel dieser Test positiv aus.
Vier von zehn der infizierten Menschen hatten jedoch weder Fieber noch Husten, welche bis dahin als die wesentlichen Symptome einer Covid-19-Erkrankung galten (eines der „Kaiser-Symptome“). Von Prof. Hummel kommt die ganz neue, spannende Info: Wer mit dem neuartigen Coronavirus infiziert ist, dem entströmt oft ein völlig veränderter Körpergeruch, es ist noch nicht bekannt, woher dieses Phänomen stammen könnte.
Wer also sehr plötzlich die alltäglichen Gerüche von Kaffee, Zahnpasta, Knoblauch, Wein etc nicht mehr oder nur sehr schwach riechen kann, sollte sich gemäß der Empfehlung der Studienleiterin Professor Dr. Rachel Batterham sicherheitshalber isolieren. Ähnliche Ergebnisse lieferte eine belgische Studie, über die ich im April in diesem Artikel berichtete.
Dreiviertel der Betroffenen klagen über Beeinträchtigungen
Eine liebe Kollegin machte im Frühling unbemerkt die Infektion mit dem neuartigen Coronavirus durch. Erst durch den späteren positiven Antigentest fiel ihr auf, dass „da mal was war“: Der Tag mit diesen ungewöhnlich heftigen Kopfschmerzen und anschließenden Riechstörungen muss die fast symptomfreie Erkrankung gewesen sein. Nun, ein gutes halbes Jahr später, leidet sie immer noch diesen beiden Beschwerden. Für eine Aroma-Fachfrau ist es zudem wirklich misslich, dass ihre Riechwahrnehmung stark durcheinander ist. Heftige Gerüche riechen für ihre Nase kaum noch, zarte Gerüche kann sie zum Glück eher riechen, belastend ist allerdings die Parosmie: Sie riecht auch Dinge, die definitiv nicht da sind.
Wenn es sich um Anosmie unbekannter Ursache, oder aufgrund der Covid-Erkrankung handelt, werden zum täglichen Riechtraining beispielsweise Rosenduft, Zitronenduft, Eukalyptusduft und Gewürznelkenduft verwendet. Auch stark riechende Dinge aus dem täglichen Leben wie Essig, ein früher vertrautes Parfüm, Terpentin etc können zum Üben verwendet werden. Eine starkes Gefühl der Kühlung kann Menthol bzw Pfefferminzöl auslösen. Jeder Covid-19-Patient mit Geruchs- und Geschmacksstörungen sollte auf diese Weise trainieren. Insbesondere, wenn die Beschwerden über einen längeren Zeitraum anhalten. Professor Hummel erklärt, wie es geht:
„Die Patienten sollen dabei jeden Morgen und jeden Abend für jeweils 30 Sekunden an vier verschiedenen Düften riechen. Dieses Training sollten sie konsequent über mindestens vier, teilweise aber auch bis zu neun Monate durchführen. Die Gerüche können dabei individuell gewählt werden. Wichtig ist nur, dass die Gerüche stark sind und einer der vier Düfte noch ein Gefühl wie ein Kribbeln, Stechen oder Kühlen auslöst.“
Früherkennung von neurodegenerativen Erkrankungen
Wie oben bereits erwähnt, haben Professor Dr. Thomas Hummel vom Zentrum für Riechen und Schmecken in Dresden und sein Team auch die Früherkennung von neurodegenerativen Erkrankungen verändert. Menschen, bei denen der erste Verdacht besteht, dass sie beispielsweise Parkinson oder Alzheimer entwickeln könnten, erhalten vom Neurologen standardisierte Riechstifte zum Schnüffeln. Die Duftintensität muss beschrieben werden, Düfte voneinander unterschieden werden und freilich auch identifiziert werden. Je nachdem, welche Resultate sich zeigen, kann der geschulte Neurologe eine Richtung erkennen: Möglicherweise handelt es sich um ein Zittern anderer Herkunft oder die Vergesslichkeit ist beispielsweise stressbedingt. Sprechen aber die Resultate tatsächlich für eine deutliche Degeneration bestimmter neurologischer Systeme, dann kann der Fachmann die betroffene Person zu weiteren Untersuchungen schicken. Beispielsweise mit bildgebenden Verfahren („die Röhre“) ins Gehirn schauen und sehr spezifische Bluttests machen.
Weil „schlechtes Riechen“ oder gar Anosmie gar nicht so selten vorkommen, werde ich immer wieder mal nach Lösungen gefragt. Und ja, es gibt ein ätherisches Öl, welches für spannende „kleine Wunder“ sorgen kann: Basilikumöl. Ich schrieb 2016 einen ausführlichen Artikel zum Riechtraining mit Basilikumduft. Inzwischen gibt es die wunderbaren Riechstifte zum Selberfüllen an vielen Orten, in vielen Farben, aus Kunststoff und ganz schick aus Glas und Metall. So können Betroffene Covid-Spätschäden-Patienten und ihre Angehörigen ihr eigenes Riechtraining aus natürlichen Bio-Düften zusammen stellen. Ich würde folgende ätherische Öle einsetzen (laut Prof. Hummel nur vier Öle, gerne auch Mischungen, pro Tag):
- Basilikum (Ocimum basilicum) oder Gewürznelke (Syzygium aromaticum)
- Pfefferminze (Mentha piperita) oder Eukalyptus (Eucalyptus globulus)
- Zitrone (Citrus limon) oder Bergamotte (Citrus x bergamia)
- Rosengeranie (Pelargonium x graveolens) oder Rose
- Vanille (Vanilla planifolia)
Riechtraining für unterwegs
Jeweils maximal 5 Tropfen des jeweiligen ätherischen Öles auf die Zellstoffröllchen geben (auf die angeschnittenen Seiten, denn manche Modelle sind mit einer schützenden Kunststoffschicht umgeben, diese nicht mit Ölen versehen).
Mehrmals am Tag dran schnuppern (mindestens 2 Mal am Tag) tief einatmen und – ganz wichtig – eine Verknüpfung mit den anderen Sinnen herstellen: Wo roch ich Basilikum zuletzt? Wie sehen die Blättchen aus? Aß ich etwas Bestimmtes dazu, welche Farbe hatte die Beilage? Wie sehen Zitronen aus? Was macht deren Saft mit meinen Speicheldrüsen? In welcher Art Flasche trank ich zuletzt einen Limonade? In welcher Situation? Wie sieht eine Pfefferminzepflanze aus, welche Süßigkeiten sind damit beduftet, wie raschelt oder klappert deren Verpackung. Und so weiter. Mindestens 30 Sekunden pro Übungseinheit schnuppern.
Ein fertig zusammengestelltes Set mit vier bunten Riechstiften und vier passenden Bio-Ölen von deutschsprachigen Anbietern kann in unserem Shop bestellt werden. Solche Stifte können bequem überall hin mitgenommen werden, die Übung kann diskret auch in öffentlichen Verkehrsmitteln und sogar an der roten Ampel durchgeführt werden. Es lohnt sich! Für die Schweizer unter meinen LeserInnen: bei Florentia gibt es ähnliche Riechstifte aus Glas/Metall oder Kunststoff, dazu hervorragende ätherische Öle (und noch vieles mehr!)
:: WERBUNG :: In unserem Shop: die Sonderausgabe des aromaMAMA-Magazins zum Thema Baumöle, Waldbaden, Winterhelfer für die Atemwege, Herbst-Start mit Heuschnupfen-Prophylaxe, und vielen Themen und Rezeptideen mehr auf 36 Seiten, 12 Euro.
Gesunde zuckerfreie Geschenk-Ideen
Und nun noch einige Geschenkideen: Ich bin derzeit ganz vernarrt in die ungemein gelungene Duftmischung von Primavera ‚Zeit für Wunder“. Orangig-leicht würzig, minimal blumig, so richtig rund. Auch eines der zusammenpassenden duften Sets wäre eine nette Geschenkidee. Im Shop befindet sich auch mein absolutes lecker-süßlich-vanillig duftendes Lieblings-Raumspray von Farfalla ‚Lebensfreude‘, das mich schon durch manche dunkle Stunde geführt hat (3x täglich wie ein Kragenspray auftragen, also etwas davon in die Luft, etwas davon sofort einatmen, etwas davon auf einen Schal, einen unempfindlichen Kragen oder auf ein Nickytuch, mindestens 1 Wochen lang sehr konsequent anwenden, um recht gleichmäßige Duftmolekül-Spiegel im Nervensystem zu behalten).
Frisch gebackene naturpflege-orientierte Eltern freuen sich vermutlich über die Pflegeprodukte aus dem Dufte-Kids-Sortiment und Frauen, denen der momentane emotionale Stress auf die Wechseljahres-Symptome schlägt, sind bestimmt dankbar über die stimmungs- und schweiß-regulierenden Naturdüfte. FeinschmeckerInnen freuen sich möglicherweise über einige der wirklich und ehrlich als Lebensmittel zertifizierten ätherischen Bio-Öle von Vegaroma, die neu im Shop eingezogen sind, die wir jedoch bereits seit über 20 Jahren kennen, lieben und verwenden (wie der feine O sole mio-Mix, der auch wunderbar im Brustbalsam oder in der Duftlampe eingesetzt werden kann!).
Auch das Unterwegs-Schlüsselanhänger-Ledermäppchen ist seit Jahren ein beliebtes Mitbringsel, das besitzen inzwischen wohl fast die Hälfte meiner Duftwochen-TeilnehmerInnen (inzwischen mit 1,5-ml-Schraubverschluss-Fläschchen erhältlich)!
Mit so einem Einkauf werden deutschsprachige inhabergeführte Unternehmen unterstützt, die sich seit teilweise Jahrzehnten für das Wohl der Erde und der Menschen einsetzen. Wir kennen und schätzen jeden einzelnen GründerIn und/oder GeschäftsführerIn der Firmen, die in unserem kleinen Shop vertreten sind.
Schnupperfoto: Annie Spratt on Unsplash
Hallo,
wie immer ein interessanter Artikel, danke Eliane!
Nur eine Anmerkung:
möglicherweise hat „rudimentary“ im Englischen eine andere Bedeutung als „rudimentär“ im Deutschen.
Ich glaube nämlich, dass Du ein anderes Wort meinst, wenn Du schreibst „das Riechen ist so wichtig, so entscheidend, so hilfreich, so rudimentär.“, denn „rudimentär“ heißt im Deutschen als Adjektiv eher: unzureichend, unvollkommen, nur ansatzweise vorhanden, verkümmert, …. -also nicht im mindesten so etwas wie „elementar“.
Vielen Dank für diesen interessanten Hinweis.Ich benutze dieses Wort im Englischen gar nicht (schmunzel, lebe hier auf dem tiefsten Land bzw fast im Meer, da genügen Worte wie fine weather, potato und feeling great!). Ich muss mal in mich gehen, ob ich ein treffenderes Wort finde. Ich meinte durchaus etwas Unvollkommenes, in Sinne, dass wir Menschen ihn nicht verstehen, nicht ernst nehmen, darum selten wirklich einsetzen und nutzen. Als „rudimentäres Organ“ wird beispielsweise der Blinddarm bezeichnet, in diesem Sinne verwendete ich dieses ungewöhnliche Wörtchen. „Rudimentum“ bezeichnet ‚erster Anfang‘, so ist es auch gemeint. Die Wortwurzel meint zudem ‚roh‘ und ‚verkümmert‘ sowie ‚die Anfangsgründe betreffend‘, auch dieses meinte ich – auf die allgemeine Sichtweise hinweisend. Ich selbst finde diesen Sinn den faszinierendsten, weil vielseitigsten unserer Sinne. DANKE für die Mühe dieses Hinweises, des Nachdenkens über meine Wortwahl! Ich liebe Sprache(n), hätte fast noch Linguistik studiert (ich habe es als Pflicht-Nebenfach studiert).
Liebe Eliane, vielen Dank für die wertvollen Infos. Liebe Grüße nach Irland.
Liebe Eliane,
toller Artikel zu einem sehr aktuellen Thema. Vielen Dank dafür.
Liebe Eliane,
danke für den wunderbaren Artikel. Ich kann aufgrund eigener Erfahrung bestätigen, dass es sich lohnt ein Riechtraining zu machen.
Liebe Grüße
Liebe Martina, vielen Dank für diese nette Bestätigung!
Danke liebe Eliane für deine unermüdliche Bemühung uns mit mehr Informationen zu versorgen. Bleib Gesund und liebe Grüße aus Niederösterreich dein großer Fan Alexandria
Ganz lieben Dank für dieses willkommene Lob, liebe Alexandria!
Moin liebe Eliane,
noch ein bißchen verschlafen nach einem herrlichen „Marathon“ gestern Abend 😉
Toll, dass Du noch einmal alles rund um unser Riechorgan zusammengefasst hast, DANKE dafür. Ich bin froh, dass ich mich auf meine Nase verlassen kann und auch auf meinen Geschmackssinn. Schade nur, dass die Schulmedizin da eher nicht hinschaut.
Die „Zeit für Wunder“ Mischung verdufte ich momentan im Eiltempo, ich habe sie nicht nur im Vernebler sondern auch für unterwegs im Riechstift – passend in einem grünen Alustift.
Ich bin schon neugierig auf das „Baumöle“ Magazin und kann es nicht erwarten, es in den Händen zu halten.
Pass auf Dich auf und bleib gesund
Knuddel
Anna
Herzensdank für diesen Artikel. Ich war im April 2018 auf der Aida 3 Wochen mit Atlantik Überquerung. In der 2.Woche wurde ich so krank. Ich hatte noch nie in meinem Leben so einen Husten und seitdem 2 Jahre nichts mehr gerochen und geschmeckt. Wochenlange Schwäche. Die Symptome waren wie die heutigen für Corona beschrieben. Es waren sehr viele Passagiere krank. Seit Sommer diesen Jahres verwende ich wieder mehr
Aromen auch als Räucherung über Zoommeetings mit einer Gruppe aus den Ausbildungsgruppen von Thomas Kinkele. Diese Art „Behandlung“ in Verbindung mit Lichtakupunktur hat anscheinend eine Initialzündung gegeben. Ich rieche wieder. Mit Begeisterung lese ich jedesmal den Newsletter.
Vielen Dank für diesen interessanten Erlebnisbericht!
Hallo Eliane,
ich habe damals den Bericht zu dem Basilikum Öl gelesen und mttlerweile an viele Riech Betroffene weiter empfohlen. Alle haben innerhalb kurzer Zeit eine Verbesserung des Geruchsinns und auch des Geschmacksinns erlebt.
Ich selber habe Weihnachten 2019 eine Faszialparese bekommen. Aus dem Nichts die rechte Gesichtshälft gelähmt. Ich rieche und schmecke nur mit der linken Seite. Mit der rechten Seite erlebe ich nur Bitter. Ich bin sehr dankbar für die Anregung der verschiedenen Öle. Werde sie jetzt nach und nach Auprobieren. Das Basilikum Öl hat mir in den ersten Wochen nach Verlust übrigens sehr geholfen sonst könnte ich gar nicht riechen. Von den Ärzten bin ich ziemlich belächelt worden. Wie gut der Austausch und Dein Block ist muss ich gar nicht betonen. Ich finde bei Dir immer wieder Bestätigung. Dank noch mal dafür!!!!!!! Liebe Grüße, bleib gesund Petra
Liebe Eliane, ich bin heute auf deinen Artikel gekommen. Meine Verzweiflung ist groß. Während die Mehrheit wohl glaubt, COVID19 sei vorüber, hat es mich und meine zwei Liebsten VOLL erwischt. Seit gestern rieche ich nichts mehr. Gar nichts. Das ist so schon dramatisch, aber als (angehende) Aromapraktikerin und Frau, die so viel über ihre Nase entschiedet und wahrnimmt, ist es nicht hinnehmbar.
Zuerst habe ich Sabrinas Artikel über Basilikum gelesen, darüber bin ich auf deinen gestoßen. Herzlichen Dank für diese wertvollen und auch Hoffnung spendenden Informationen. Ich werde gleich mit dem Training beginnen.
Herzliche Grüße, Tanja