Kaum von uns bemerkt, ziehen dunkle Wolken am Lavendelhimmel auf. Mal abgesehen von den zwei Krankheitserregern, die derzeit über die violetten Felder herziehen (ich habe im Oktober 2010 schon darüber berichtet), ist eine Kampagne zugange, die die Gefährlichkeit und die Neigung zur schnellen Oxidation von Lavendelöl unter das naive Volk die Verbraucher bringen will.

Ich bin an meinem blinden Glauben an die Unfehlbarkeit der Mathematik vor zig Jahren schier verzweifelt. Es sei das logischste Fach und absolut unbestechlich. Vor lauter Ehrfurcht habe ich mir nie die Mühe gemacht, Mathe zu beherrschen und bin seitdem auf meinen Rollstuhl Taschenrechner angewiesen. Doch wenn ich mir von Robert Tisserand mal die Rechenkünste der Ärztin Swati Sharma, die für ein in den USA bekanntes Gesundheits- und Verbraucherschutz-Blog schreibt, erklären lasse (auf dem wunderbaren englischsprachigen Blog Aromaconnection), frage ich mich allen Ernstes, wieso sie und auch andere Öle-Kritiker zu dem Schluss kommen, dass von acht getesteten ätherischen Ölen Lavendelöl das größte Potenzial für Allergien birgt. Mal abgesehen von den Zahlen bzw. haarsträubenden Verdünnungen, finde ich es äußerst kurios, dass “die Gefährlichkeit von ätherischen Ölen”, an Dermatologie-PatientInnen getestet wird, also an Menschen, die meistens bereits zu Hautproblemen neigen (denn sonst wären sie keine Dermatologie-PatientInnen, Akutpatienten werden für solche Studien sicherlich nicht heran gezogen). Ich übersetze mal Robert’s Rechnen-Nachhilfe:

Japanische Forscher testeten sechs ätherische Öle, ein Absolue und zwei Bestandteile von ätherischen Ölen. Am meisten unerwünschte Nebeneffekte waren durch 5%-iges Ylang Ylang-Öl zu verzeichnen, gefolgt von Rosengeranie (20%-ig) und Lavendel (auch 20%-ig). Die anderen Duftstoffe wurden zu Vergleichen herangezogen, obwohl sie nur 5- oder gar 2%-ig verdünnt untersucht wurden. So kann man keine Vergleiche über das relative Risiko anstellen. Je höher die Düfte konzentriert waren, desto höher die negativen Reaktionen. Bei den japanischen Versuchspersonen bestand der “Verdacht auf kosmetische Dermatitis” – das ist eine Hoch-Risiko-Gruppe.

Wenn man bedenkt, dass das Lavendelöl 20%-ig und an einer Hochrisiko-Gruppe getestet wurde (Patch-Test), und dass nur 1,4% (21 von 1.483) Patienten eine negative Reaktion aufwiesen, bedeutet das, dass Lavendelöl kein relevantes Allergen ist. Andere Forschungen präsentierten Lavendelöl als ein Niedrig-Risiko-Öl. Als 50 Freiweillige mit dem unverdünnten Öl getestet wurden, gab es keinerlei Reaktionen (Meneghini et al 1971). Ähnlich gab es bei 25 Freiwilligen, die mit 10%-igem Lavendelöl getestet wurden, keine Reaktionen (Opdyke 1976 p451). In einer polnischen Studie mit 200 Dermatitis-Patienten zeigte kein Teilnehmer Reaktionen auf 2%-iges Lavendelöl (Rudzki et al 1976). In einer dänischen Studie reagierten zwei von von 217 Dermatitis-Patienten (0.9%) positiv auf 2%-iges Lavendelöl (Veien et al 2004). Bei einer Konzentration von 1%-igem Lavendelöl entstanden keine Reaktionen bei 273 Dermatitis-Patienten (Meneghini et al 1971). Wenn man also diese Zahlen zusammen zählt, reagierten zwei der 690 Dermatitis-Patienten (0,3%) auf Lavendelöl, wenn es 1- oder 2%-ig aufgetragen wurde.  …

Über einen Zeitraum von 15 Jahren (1986-2000) sind nur 5 Fälle einer Lavendelölallergie weltweit beschrieben worden (Brandão 1986, De Groot 1996, Keane et al 2000, Schaller & Korting 1995, Selvaag et al 1995), drei Personen davon waren Allergiker gegen verschiedene Allergene. Das steht im Gegensatz zu Millionen von Fläschchen mit unverdünntem Lavendelöl, das pro Jahr an Konsumenten verkauft wird, dazu noch Millionen Kosmetik-Produkte mit Lavendelöl.  …  Lavendel ist nicht nur ein Niedrig-Risiko-Allergen, sondern es besitzt sogar anti-allergische Wirksamkeit, wenn es äußerlich aufgetragen wird. Denn es unterbindet die Freisetzung von Histamin in Mastzellen (Kim et al 1999). In den meisten Fällen von Allergien wurde vermutlich oxidiertes Lavendelöl eingesetzt, das frische Öl wirkt dagegen anti-allergisch und sogar mittelmäßig antioxidativ (Wei and Shibamoto 2007). (Die Quellen stehen im Originalbeitrag von Robert Tisserand)