Wir „alte Hasen“ kriegen regelmäßig Augen- und Gehirnschmerzen, wenn wir sehen, was sich in der Ätherische-Öle-Szene so an kuriosen Versprechungen, abstrusen „Therapie“-Empfehlungen und vor allem an Qualitätssiegel-Prosa tummelt. Arglose und begeisterte Neu-EinsteigerInnen werden zunehmend buchstäblich an der Nase herum geführt. Insbesondere beim Anwerben für us-amerikanische MLM-Unternehmen, wo nur der/die wirklich Geld verdienen kann, wenn er/sie möglichst viele Öleverkäufer unter in der Verkaufs-Pyramide sich hat, findet inzwischen ein nie da gewesenes Einnebeln der InteressentInnen und Verächtlichmachen von alt eingesessenen Bio-Öle-Anbietern statt.
Darum hier ein kleiner Blick in mein Fachbuch Aromatherapie für Pflege- und Heilberufe (2022 in der 7. überarbeiteten Auflage erschienen). Die Erläuterungen zu den Siegeln kann ich hier nicht verraten, das kann jedoch heutzutage jeder selbst im Internet nachlesen (oder eben in meinem Buch!). Es lohnt sich wirklich, mit diesen Siegeln vertraut zu sein und sich diese einzuprägen, auch um beim Einkaufen von ehrlicher Naturkosmetik und von einigermaßen naturbelassenen Lebensmitteln den Durchblick zu behalten.
Es ist sehr ratsam, ausschließlich ätherische Öle auf Haut und Schleimhäute zu verwenden, die mit einem anerkannten Bio-Siegel ausgezeichnet sind, das gilt ganz besonders für Öle, die – wie im letzten Blog-Beitrag erwähnt – eingenommen werden (bitte nur, wenn entsprechender Ausbildungshintergrund vorhanden ist und in winzigen Mengen, bitte niemals bei Kindern herum experimentieren!). Allerdings gibt er hier wie dort schwarze Schafe, so dass ein Bio-Siegel für Pflanzen, aus denen ein Öl produziert wurde, sinnlos werden kann, wenn beispielsweise das Endprodukt unfachmännisch destilliert, beim Transport zu stark erhitzt wurde oder falsch (und „ewig“) gelagert.
Von Firmen selbst erfundene und selbst verliehene „Siegel“ sollten die inneren Alarmglocken klingen lassen, denn solche Siegel beziehen sich vorwiegend auf mehr oder weniger umfassende Analysen, welchen die fertigen ätherischen Öle – also nach der Destillation – unterzogen werden (was zuvor auf den kilometerlangen Monokulturen stattfindet, spielt dafür keine Rolle). Unerwünschte Moleküle können dann im Labor einfach entfernt werden.
Solche Analysen sind bei allen deutschsprachigen Öle-Anbietern seit mindestens zwei Jahrzehnten selbstverständlicher Gold-Standard, denn in der Branche wird schon lange, zudem immer mehr gelogen, betrogen, verlängert, verschnitten und aufgehübscht. Das ist also kein neues Phänomen: Bereits zu meinen Anfängen vor über 30 Jahren wurde mit ätherischen Ölen viel Schindluder getrieben, denn mit Naturdüften und erst recht mit vermeintlichen „Naturdüften“ kann viel, viel Geld verdient werden.
Mit solchen Labor-Untersuchungen würde sich kein deutschsprachiger Öleanbieter brüsten! Diese werden seit Jahrzehnten gemacht, inzwischen aus den genannten Gründen sehr engmaschig und ausführlich. Sogar ich als Einfrau-Firma kann solche Analysen in Auftrag geben, sollte ich mich mit einem Öl nicht wohlfühlen, die Kosten sind inzwischen wirklich überschaubar (bereits ab unter 80 € je nach Umfang).
Kein deutschsprachiger Anbieter würde sich also wegen seiner Analyse-Ergebnisse irgendwelche Buchstabenkombinationen „auf die Fahne kleben“. Dieser umsichtige Umgang mit ätherischen Ölen ist doch selbstverständlich! Das scheint ein sehr amerikanisches Bedürfnis zu sein, welches seit einigen Jahren zwecks Kundenfang immer weiter hauptsächlich Frauen in Europa umgarnt. Mit jeweils einer guten Milliarde Dollar Umsatz (Stand 2015 und 2018) wollen sich die beiden größten dieser Anbieter nicht zufrieden geben, der eine von beiden gibt sich mit „nur“ 3 Millionen „unabhängiger Repräsentantinnen“ nicht zufrieden. Der penetrante Kundenfang nimmt darum immer aggressivere Züge an. Es ist bereits von „Missionierung“ und „JüngerInnen“ die Rede, wer sich mit dem Thema beschäftigt, weiß auch warum. Ein Blick auf die Firmenadressen gibt Aufschluss.
Anbau-Siegel überprüfen, dass bereits bei der Pflanze ein anständiger Umgang stattfindet: Ob der Anbau umweltfreundlich, menschenfreundlich, nachhaltig und möglichst auch mit fairer Bezahlung einher geht (zu haarsträubenden Zuständen ein Bericht in der international renommierten Zeitung The Guardian und sogar bei Netflix). Auch Werbung mit Industrie-Siegeln sollte mit Vorsicht genossen werden (beispielsweise wurde einst zu Marketingzwecken mit dem AFNOR-Siegel geprahlt – von einem der Milliardenumsätze produzierenden MLM-Öleanbietern – bis zu viele Menschen den Versuch der Irreführung erkannten). Mit Industrie-Siegeln werden Produktions-Abläufe, Größen, Gewichte etc zertifiziert, was nicht automatisch hervorragende Qualitätsstandards für die End-Produkte bedeutet. Die folgende Liste stellt wichtige Qualitätssiegel vor, sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
AB Agriculture Biologique: höchstmögliche Bio-Qualität, nur für Öle aus der EU
AFNOR Association Francaise de Normalisation: Normierung von industriellen Produkten, kein Zusammenhang mit Bio-Qualität
BDIH Bundesverband deutscher Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und Körperpflegemittel: Qualitätsrichtlinien u. a. für Naturkosmetik
Bio Suisse: einer der höchsten Biostandards der Welt
Demeter: höchstmögliche Bio-Qualität, Pflanzen aus biologisch-dynamischer Landwirtschaft
BIO Deutsches staatliches Bio-Siegel: Mindest-Kriterien, die der EG-Öko-Verordnung genügen
ecocert (Siegel Biokosmetik & Siegel Naturkosmetik): einst erste Zertifizierungsstelle mit Standards für Natur- und Biokosmetik
EU-Bio-Logo: seit Juli 2010, gilt EU-weit als verbindliches Bio-Siegel
Fair Trade: kann, muss jedoch nicht Bio-Qualität sein
Fairwild: seit 2008 an den WWF angegliedert; kann, muss jedoch nicht Bio-Qualität sein
IFOAM International Federation of Organic Agriculture Movement: Dachverband internationaler Organisationen der biologischen Landwirtschaft
ISO International Standardization Organisation: Normierung von industriellen Produkten, kein Zusammenhang mit Bio-Qualität
Natrue: sehr strenge Richtlinien für naturkosmetische Produkte
Nature & Progrès: höchstmögliche Bio-Qualität für Kosmetika und Lebensmittel
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Das Copyright © der Siegel liegt bei dem jeweiligen Verein/Verband, das Copyright © dieser Zusammenstellung liegt bei Eliane Zimmermann.
vielen Dank Eliane. Das ist sehr aufschlussreich. LG Gitte
kann mich nur anschließen, sehr aufschlussreich. Kann man sich so eine Liste auch irgendwo herunterladen, so das man immer mal drauf schauen kann? Ich finde das sehr verwirrend, diese ganzen Siegel, die letztendlich doch nichts aussagen. Wäre das Buch auch etwas für den Hausgebrauch, oder nur für Fachgruppen. Das Buch Aromatherapie habe ich und bin mehr als begeistert. Vieles habe ich schon ausprobiert und es hat mir wirklich geholfen. Das Öl „Lifting ohne Skalpell“ der Hammer. Liebe Eliane, gut das Du und immer auf dem laufenden hälst…..LG Iris
hallo iris, mein buch ist sehr fachorientiert, wie der titel sagt, für angehörige von pflege- und heilberufen, oder für sehr interessierte und engagierte laien, mit über 100 wisenschaftlichen studien und vielem mehr, was die pflege von nicht ganz gesunden menschen anbelangt. die liste habe ich in stundenlanger arbeit zusammengesucht, ich glaube nicht, dass sie irgendwo anders existiert, es war meine idee, die siegel mal zu zeigen.
hallo Eliane,
das war eine sehr gute Idee, vielen dank für die Mühe. So habe ich wenigstens eine gute Richtlinie und kann mich an ihnen orientieren. LG Iris
Hallo Elaine,
ich bin gerade dabei mich in die Welt der ätherischen Öle einzufinden. Ich würde sie gern im Familienalltag nutzen und fühle mich ganz verloren zwischen all den Infos und Nicht-Infos.
Mir wurde z.B. gesagt, dass nur therapeutische Öle (in diesem Fall ging es um doTerra) einen Nutzen bringen bzw. gesundheitlich unschädlich sind. Allerdings scheint mir der Zusatz „Therapeutische Öle / Therapeutischer Grad“ kein geschützter Begriff zu sein, denn ich habe ein Set ätherischer Öle zu Hause, welches ich für knapp 20€ bei Amazon gekauft habe (habe ich zur Verwendung für selbstgemachte Putzmittel gekauft). Nun habe ich gesehen, dass selbst auf diesem Set „therapeutic grade“ steht.
DoTerra wirbt mit dem CPTG Siegel, aber soweit ich das verstanden habe, ist das ein Siegel der Firma selbst, also nichts offizielles und somit auch nicht unabhängiges.
Ich möchte im Privaten einfach unser Familienleben positiv mit Ölen unterstützen (Diffisor, Fußsohlen, eventuell auch orale Einnahme) und weiß wirklich nicht, welche Öle dafür sicher sind – vor allem bei Kindern. Aber z.B. 10 doTerra-Ölfläschchen mit jeweils 5ml für über 130€? Das ist schon sehr sehr teuer. Ist das einfach nur Geldmacherei oder muss man wirklich so viel Geld für hochwertige, sichere Öle einplanen.
Über Aufklärung wäre ich so so dankbar.
Viele liebe Grüße,
Annabelle
Hallo Annabelle, die lokalen-europäischen ehrlichen Bio-Ölenabieter sind in meiner Liste https://aromapraxis.de/aroma-plus/oeleanbieter/ zu finden (wenn man deren Preise vergleicht und einen Durchschnitt bildet, dann kommt man zu einem realen und marktüblichen Preis, also zB die Mandarinen -und Weihrauchöle von 4-5 dieser Anbieter vergleichen. Die seriösen Bücher ohne gewinn-maximierenden Firmenhintergrund sind auf meiner Bücherempfehlungs-Seite zu finden: https://aromapraxis.de/aroma-plus/oeleanbieter/ Ich schrieb inzwischen über ein Dutzend aufklärende und einen zynischen Artikel über diese unsäglichen, unehrlichen, sekten-basierten, die Umwelt/Pflanzen schädigenden, teils gesundheitsgefährdend agierenden MLM-Öleanbietern geschrieben, einfach in dieser Kategorie nachlesen: DIY-MLM (in der rechten Spalte unter Suchfeld) https://aromapraxis.de/category/diy-mlm/ Seriöse, unterhaltsame und ästhetische Lernmaterialien stelle ich mit Sabrina Herber her: https://www.shop-vivere.de