Zu den Mythen in der Aromatherapie und Aromapflege gehört die Falschzählung, was die Tropfen und Verdünnungen anbelangt. Das würde mich als passionierte Dyskalkulie-Leidende (so eine Art Legasthenie mit Zahlen) nicht weiter stören, doch führt es oft zu wilden Diskussionen. Ich bin immer wieder für’s Ausprobieren statt sich theoretisch den Kopf heiß zu reden. Schon vor vielen Jahren, als ich mein Reiseset mit 100 2ml-Fläschchen ätherischen Ölen füllte, wunderte ich mich, dass ich meistens mindestens 50, wenn nicht sogar 60 oder mehr Tropfen einfüllen konnte. Dann füllte ich über die Jahre viele unterschiedliche Reiseset und immer wieder dasselbe Ergebnis. Doch das kann doch nicht sein, auch ich lehr(t)e doch, dass 20 Tropfen eines ätherischen Öles einen Milliliter ergeben!
Dieser Satz war sicherlich wahr, als ich noch Lernende der Aromatherapie war (Mitte bis Ende der achtziger Jahre) und sicher auch noch, als ich anfing zu unterrichten (1992). Damals gab es wirklich fürchterliche Tropfer, die dicke, fette Tropfen rausließen, teilweise ganz schnell, man konnte sie manchmal kaum abbremsen. Doch Dinge ändern sich. Inzwischen haben die meisten Firmen auf Tropfer umgestellt, die viel feinere Tropfen raus lassen, manchmal ist es dazu je nach Viskosität (zähflüssig oder nicht) eines ätherischen Öle sogar richtig nervig, weil man so lange auf das ersehnte Tröpfchen warten muss.
So wie es verschiedene Hersteller und Modelle von Tropfern gibt, so können die Tropfer von Öleanbieter zu Öleanbieter minimal variieren. Doch insgesamt sind die Tropfen tatsächlich kleiner geworden. Den meisten guten Anbietern kommt es nicht auf maximale Gewinne und maximale Verschwendung von Seiten der Anwender an. Vielmehr wünschen sie sich alle Inhabern/Geschäftsführer der Firmen, die ich gut kenne und schätze (die Liste steht hier), einen behutsamen und vor allem sicheren Umgang mit den pflanzlichen Kostbarkeiten (die ja teilweise in unverdünnter und/oder oxidierter Form hautreizend sein können).
Erleichert war ich, als ich im Buch Aromatherapie in Wissenschaft und Praxis des Herausgebers Dr. Wolfgang Steflitsch die seitenlange Tabelle von Gerlinde Engelhardt von der Bahnhof Apotheke in Kempten und von Ingeborg Stadelmann sah, wo die korrekten Tropfenmengen einem Milliliter zugeordnet sind (Seiten 447 bis 451*). Den Auszug aus diesem dicken Buch, dass ich im Oktober 2013 rezensierte, habe ich mal als kleine Tabelle zum ausdrucken (und laminieren) rausgezogen (durch anklicken wird sie etwas größer):
Das Schöne bei unserer traditionellen Falschzählung ist, dass sich fast alle seriösen Aromapflegenden und AromatherapeutInnen im stark unterdosierten Bereich bewegen, das ist gut so. Demzufolge braucht nie jemand Panik zu schieben, wenn ein oder zwei Tropfen eines Öles mehr in die Mischung hüpfen (bis auf bei Zimtöl und anderen phenoligen Ölen oder im Falle von sehr kostenaufwändigen Ölen wie Rose). Ich habe für mein Verdünnungs-Kapitel für die 6. Neuauflage meines Fachbuches in einem dicken französischen Lehrbuch der Aromatherapie nachgeschlagen und noch wesentlich höhere Angaben gefunden: In Frankreich wie auch hier in Irland verwendet man meistens noch viel feinere Tropfeinsätze als im deutschsprachigen Bereich. Ich bleibe in meinem Unterricht bei der veralteten „Formel 20 Tropfen = 1 ml“, schon alleine weil ich mich dran gewöhnt habe und weil es sich auch als Dyskalkulikerin ganz gut rechnen lässt, erläutere jedoch seit einigen Jahren die hier vorgestellte Veränderung.
Wer also seine Rezepturen ganz korrekt herstellen möchte und insbesondere reproduzierbar arbeiten möchte, muss sich einer fein einstellbaren Waage mit Milligramm-Bereich bedienen. Diese sind heutzutage sehr preiswert erhältlich, knapp 15 Euro inklusive eines Kalibriergewichts bei bis zu 100 g zu wiegender Ware und unter 20 Euro, will man Rohstoffe bis 500 g wiegen. Auch prima zum Abwiegen von getrockneten Kräutern, denn für diesen Zweck sind normale Küchenwaagen oft zu grob eingestellt. Im privaten Rühr- und Mixbereich ist so ein Gerät prima, wenn es offizieller wird, muss wohl eher eine teurere Apothekerwaage her. Dann kann man auch besser abwiegen, wie schwer ein einzelner Tropfen ätherisches Öl wiegt, ansonsten schätzt man ganz grob 25 mg
*immer bezogen auf die Tropfeinsätze der Bahnhof-Apotheke in Kempten.
Vielen, vielen Dank für diesen wichtigen Artikel! Die Frage wieviel Tropfen pro ml ist tatsächlich wert, sie wieder einmal in den Raum zu stellen.
Der bekannte Aromatherapeut Robert Tisserand (Essential Oil Safety) geht ja auch von 30 – 40 Tropfen pro ml aus. Auch er hatte früher mit den im deutschsprachigen Raum noch üblichen 20 Tr pro ml gearbeitet, bis er etwas genauer nachgesehen hat.
Diese beiden verschiedenen Angaben decken sich ja auch gut mit Ihrer Tabelle oben – nämlich, dass sich die Tropfenzahl pro Mililiter tatsächlich zwischen 20 und 40 Tropfen bewegen – je nach Öl und je nach Tropfergrösse.
(Interessant wäre, ob für die Tabelle, die Dr. Steflitsch in seinem Buch veröffentlicht hat, alle Öle und Tropfer von der gleichen Firma stammten. Aber ich nehme einmal an, die waren von der Bahnhof Apotheke Kempten?)
Im deutschsprachigem Raum haben sich die 20 Tropfen pro ml ja mittlerweile eingebürgert, und ich persönlich arbeite auch mit dieser Menge. Und ich finde für den Hausgebrauch ist das auch ganz gut so. Weniger ist mehr.
Und nachdem jahrelang mit diesen propagierten 20 Tr pro ml gearbeitet wurde, sieht man, dass auch mit niedrigeren Konzentrationen gute Erfolge erzielt werden.
Für Studien fände ich jedoch wichtig, dass ätherische Öle genau abgewogen werden und dass auch erwähnt wird, wie diese die in der Studie verwendeten Konzentrationen genau zustande gekommen sind!
Vielen Dank für diesen tollen Blog, den ich seit langem mit Begeisterung lese!
Margareta Ahrer
danke für ihr lob! ja, die tropfenmengen in der tabelle im erwähnten buch (und auch die zitierten öle hier) beziehen sich ausnahmslos auf tropfeinsätze der bahnhof-apotheke.
Hallo Eliane, vielen Dank für diesen interessanten Artikel. Ich halte mich meist auch an die 20 Tropfen pro ml. Es hängt immer an den Tropfeinsätzen, die manchmal einfach nur brutal sind und mich zur Weißglut treiben. Ich wollte gestern das Unfallhelfer Öl zusammenstellen und öffnete eine frische Flasche Lavendelöl von Primavera. Aus dieser Flasche kam gar kein Tropfen…..trotz schütteln, rütteln, öffnen und Einsatz bearbeiten, es kam nichts, absolut nichts. Erst, nachdem ich den Tropfeinsatz abgeschnitten hatte, kamen ein paar zaghafte Tröpfchen. Ehrlich, für manche Tropfeinsätze fehlen mir einfach die Nerven. Alles Liebe Gitte
[…] Infos dazu, wie viele Tropfen einen Milliliter ätherisches Öl ergeben, findet ihr auf dem Aromapraxis-Blog von Eliane […]