Die Haut und ätherische Öle

Da AromapraktikerInnen hauptsächlich mit der Massage – und damit mit der Haut – arbeiten, lohnt es sich, eine Blick auf dieses vielseitige Organ zu werfen. Auch wenn man noch im vergangenen Jahrhundert glaubte, die 3 mm dicke Haut sei für jegliche von außen kommende Substanz undurchlässig, ist es heutzutage allgemein anerkannt, dass bestimmte Substanzen sie durchaus passieren können. Fette oder fettähnliche Stoffe (ätherische Öle sind lipophil) können sich zunächst per Diffusion durch die Ausgänge der Schweißdrüsen und Haare entlang den fettähnlichen Zellmembranen, dann weiter über die feinen Blutkapillaren in der Lederhaut (Korium) bis in das Körperinnere “hangeln”.

Die durchschnittliche Oberfläche des Organs Haut beträgt etwa 2 Quadratmeter, somit steht uns hier eine ausgedehnte Behandlungsfläche mit entsprechend intensiver Penetration zur Verfügung. Die Diffusion in das Körperinnere ist möglich, weil die meisten Bestandteile der ätherischen Öle ein geringes Molekulargewicht von unter 225 haben, größere Moleküle können die Hautschranke kaum passieren. Moleküle mit einem Molekulargewicht von über 292 sind übrigens nicht mehr riechbar. Nicht nur die Beschaffenheit, das molekulare Gewicht und der pH-Wert dieser Substanzen beeinflussen die Menge und die Geschwindigkeit des Eindringens, sondern auch die Beschaffenheit der jeweiligen Haut.

Laut Tony Balacs nehmen Fußsohlen, Handflächen, Kopfhaut, Stirn, Armbeugen und Hodensack kleine Moleküle von fetten und ätherischen Ölen besonders gut auf, auch sämtliche Stellen, die reich an Haarausgängen, Schweiß- und Talgdrüsen sind. Dünne, unverhornte oder gar verletzte Haut erleichtert das Eindringen dieser Substanzen. Bauch, Rücken und Beine sind relativ undurchlässig, alle Schleimhäute wiederum sind sehr durchlässig, jedoch auch leicht reizbar. Bei Frauen ist die Permeabilität der Haut aufgrund der fettreicheren Gewebe größer als bei Männern. Warme, gut durchblutete und feuchtigkeitsreiche Haut fördert das Eindringen der Öle, durch Abdecken mit Tüchern wird dieser Prozess noch verstärkt.

Die Konsistenz und Temperatur der verwendeten Trägeröle spielen eine entscheidende Rolle: je dünnflüssiger, wärmer und reicher an ungesättigten Fettsäuren sie sind, desto besser gelangen sie durch die Hautschichten in den Blutkreislauf. Eine Temperaturerhöhung der Trägerölmischung um 10 Grad Celsius steigert die Rate der perkutanen Absorption an den Händen von Freiwilligen um das Doppelte.

Perkutane Anwendung

Die perkutane Anwendung (durch die Haut) ist die in England geläufigste Form der Anwendung. Die Behandlung des Aromatherapeuten besteht meistens aus einer Teil- oder Ganzkörpermassage mit einer 3%igen Ätherische-Öle-Mischung in fettem pflanzlichen Öl. Bei gut verträglichen Ölen gehen manche Therapeuten auf bis zu 5 Prozent Verdünnung (bei Erwachsenen). Die meisten ätherischen Öle sind bei dieser Form der Behandlung innerhalb von 20 (Eukalyptus, Thymian ct. thymol, die Bestandteile Eugenol, Linalool, Linalylacetat) bis 60 Minuten (Lavendel, Geranie, Citronella und Zimtaldehyd) im Blut und in der ausgeatmeten Luft nachweisbar. Nach wenigen Minuten können die Moleküle von Pfefferminze, Koriander sowie die Bestandteile Citral und Geraniol im Blut nachgewiesen werden. In besonderen Fällen, zum Beispiel bei einer nahenden Erkältung, können die ausgewählen Öle auch in einer sehr hohen Konzentration — 50 Prozent bis pur — mehrmals auf die Fußsohlen aufgetragen werden. Im Fall von Insektenstichen oder Verbrennungen kann Lavendel-Öl pur aufgetragen werden. Bäder, Kompressen, Mundspülungen und kosmetische Applikationen zählen auch zu den percutanen Anwendungen.

Dosierung bei Massage und Einreibung

Zur äußerlichen Anwendung bei normalerweise gesunden Erwachsenen mischt man für pflegende Produkte und für eine entspannende Massage 3%ig = 6 Tropfen ätherischer Öle auf 10 ml Trägeröl/-lotion am besten je zwei Tropfen eines ätherischen Öles. Idealerweise nehme man je zwei Tropfen einer frischen Kopfnote, einer mittelstark duftenden Herznote und einer schweren Basisnote, also eine ausgewogene Michung aus unterschiedlichen Duftqualitäten. Diese Konzentration kann normalerweise ohne Bedenken über einen langen Zeitraum angewendet werden, vor allem wenn es darum geht, das oben angesprochene Terrain zu sanieren, also den psychischen und körperlichen Allgemeinzustand des Patienten zu verbessern. Bei einer drohenden Erkältung zum Beispiel oder bei bereits bestehenden akuten Erkrankungen kann die Verdünnung auf 10 Prozent erhöht werden.

Bei schwangeren Frauen, Kindern ab 1 Jahr, gebrechlichen und empfindlichen Menschen mischt man 1,5% = 3 Tropfen ätherische Öle auf 10 ml Trägersubstanz. Geringere Verdünnungen sollten nur unter Aufsicht eines erfahrenen Therapeuten angewandt werden. Grundsätzlich kann bei Unsicherheit bezüglich der Verträglichkeit auch in jedem Fall mit der 1,5prozentigen Verdünnung gearbeitet werden. Ganzkörper- oder Teilmassagen können fast immer und überall angewendet werden. Doch gibt es auch Kontraindikationen für Massage: schwere Krebserkrankungen, frische Operationen, lokal bei neuen Narben, Varizen, und im Lendenwirbelbereich bei schwangeren Frauen. Je nach individueller Befindlichkeit der betroffenen Person können aber leichte Streichungen vorgenommen werden. Bei Krebspatienten sollte immer der betreuende Arzt konsultiert werden, denn hier gehen die Erfahrungen und Meinungen stark auseinander.

Dosierung beim Bad

Für ein Bad sind bei den meisten Ölen 10 – 15 Tropfen, aufgelöst in einem Eierbecher oder Schnapsglas mit Honig oder Sahne (der Honig macht keine klebrige Haut, wie oft befürchtet wird), ausreichend. Wird Rose oder Jasmin verwendet, genügen ein bis zwei Tropfen, bei Zitrusessenzen sollten sechs Tropfen genügen, da diese zusammen mit dem warmen Wasser die Haut reizen können. Beim ätherischen Öl der Pfefferminze oder gar Ackerminze (“Japanisches Heilpflanzen-Öl”) muss man besonders vorsichtig sein, sonst kommt es zu einem starken Gefühl des Frierens. Selbstverständlich können auch herkömmliche Teilbäder der Arme und Füße mit ätherischen Ölen “angereichert” werden. Das ansteigende Fußbad zum Beispiel mit Thymian Ct. Thujanol und Zitronenessenz oder mit einer Ravintsara-Zimtblätter-Mischung kann eine beginnende Erkältung abwehren.