Pflanzen und ihre Namen: Botanik

Sprechen Sie Lateinisch? Nein? Das macht nichts, als Aromatherapie-Fan lernen Sie mit der Zeit die Weltsprache „botanisch“ und können sich dann bestens mit anderen Aroma-Fans austauschen und sogar pflanzenwissenschaftliche Kongresse verfolgen. Diese internationale Sprache haben wir einem Schweden zu verdanken.

Über ihn, den Pfarrer und Naturforscher Carl von Linné oder Linnaeus (1707-1778) wurde geschrieben: „Gott schuf, Linnaeus ordnete“. Wie viele seiner gelehrten Zeitgenossen schuf er ein Klassifizierungs- und Namenssystem für Pflanzen, das bis heute Gültigkeit hat. Es ermöglicht uns für die Therapie schnelle Zuordnungen, da wir bei manchen Pflanzenfamilien deutliche Ähnlichkeiten im Aussehen und in der Wirkung der ätherischen Öle feststellen können. Beispielsweise wirken viele ätherische Öle der Korbblütler, wie Kamille, hautpflegend, die Öle der meisten Lorbeergewächse, wie Zimt, dagegen wirken hautreizend. Die Öle einiger Rautengewächse, wie Bergamotte, dürfen nicht auf der Haut verwendet werden, wenn man sich sonnt, die Öle vieler Myrtengewächse, wie Eukalyptus und Cajeput, wirken befreiend bei verschleimten Atemwegen.

Von Linnés zweites großes Erbe ist die von ihm geschaffene so genannte binäre Nomenklatur (zwei – meistens – lateinische Namen). Sie wird weltweit eingesetzt, so dass es in wissenschaftlichen Texten keine Verwirrungen durch volkstümliche Namen gibt – egal, in welcher Sprache die Abhandlungen verfasst sind. Botaniker der ganzen Welt wissen genau, um welche Pflanze es sich handelt, wenn sie beschrieben wird oder in Botanischen Gärten gezeigt wird. Man spricht „botanisch“.
Der erste Name nennt immer die Gattung, das ist so eine Art Familienname, beispielsweise Lavandula (alle Lavendelarten), Rosa (alle Rosen) oder Citrus (alle Arten von Zitrusfrüchten). Der zweite Name beschreibt die Art. Ähnlich wie früher in Dörfern: Man sprach von der rothaarigen Frau Müller und dem krummbuckligen Herrn Schmidt. In der Pflanzensprache liest sich das folgendermaßen:

angustifolia: schmalblättrig
citrata, citriodora: zitronig, zitronig duftend
lavandulifolia: lavendelblättrig
montana: am Berg wachsend
decumbens: kriechend, niederwachsend
officinalis: offizinell, in der Apotheke/Heilkunde gebräuchlich
odorata, graveolens oder aromatica: (stark) duftend, aromatisch
sempervirens, viridiflora: immergrün, grünblütig
alba, album: weiß, hell
centifolia: hundertblättrig
damascena: aus Damaskus

Dieser „Zweitname“ – er wird immer klein geschrieben – gibt Fachleuten (und Lateinkennern) oft einen Hinweis auf die Art des Duftes, oder die therapeutische Verwendung, die Farbe, die Wuchsart, die Herkunft, die Klimazone und vieles mehr.

Wer sich für das Latein der Pflanzennamen, also die Übersetzung, Herkunft und Bedeutung der Namen (Ethymologie), interessiert, kann dies in der sechsten Auflage meines Fachbuches “Aromatherapie für Pflege- und Heilberufe” für 191 Duftpflanzen nachlesen, außerdem empfehle ich den dicken Wälzer von Helmut Genaust: Ethymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen sehr ans Herz gelegt. Das einst sehr teure Buch ist in einem preiswerten Sonderdruck bei ecomed erschienen. Der Klassiker, ein Muss für Profi-Botaniker ist “der Zander”: Encke, Buchheim, Seybold: Zander – Handwörterbuch der Pflanzennamen. Dass Botanik einst mit Pornographie gleichgestellt wurde – zumindest in England, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Dazu gibt es ein wunderbar amüsant zu lesendes Büchlein (auf englisch) der Historikerin Patricia Fara “Sex, Botany & Empire” (Columbia University Press 2004). Eine Ahnung von dieser Zeit bekommt man im sehr spannenden Roman “Die Pflanzenmalerin” von Martin Davies (Bertelsmann 2006).