Wie auch immer unsere Prägungen in frühester Kindheit verlaufen, sind wir doch – auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind – duftgesteuerte Wesen, deren Existenz ohne eine Duftspur erst gar nicht möglich wäre. Diese Spur des Duftens und Riechens führt ganz an den Beginn der Entstehung neuen Lebens zurück, dort, wo Eizelle und Spermien sich finden. Erst vor wenigen Jahren wurde an der Ruhruniversität Bochum entdeckt, dass nur mit Hilfe eines maiglöckchen-artigen Duftes (Bourgeonal), den die reife weibliche Keimzelle aussendet, die mit Riechzellen ausgestatten männlichen Samenzellen den Weg zum Ziel finden. Die Befruchtung kann nur stattfinden, weil Duften und Riechen sie ermöglichen. Entwickelt sich dann nach geglückter Vereinigung ein Embryo, beginnt er bereits zwischen dem 42. und 52. Lebenstag zu riechen. Und das, was er dann im Laufe der kommenden wohlig-warmen Monate in der Geborgenheit des Fruchtwassers zu schnuppern bekommt, wird seine olfaktorischen Vorlieben beeinflussen. So hat man beispielsweise nachgewiesen, dass Neugeborene, deren Mütter in der Schwangerschaft viel Knoblauch gegessen haben, ihr Köpfchen in Richtung eines Knoblauchduftes bewegen, wenn man ihnen eine Auswahl von unterschiedlichen Düften präsentiert. Die winzigen Duftpartikel des Gewürzes können also bis ins Fruchtwasser gelangen.

Möglicherweise sorgt die Natur auf diese Weise bereits für eine vorgeburtliche Bindung, denn man kann in ähnlichen Versuchen auch zeigen, dass der kleine Mensch in der Lage ist, seine Mutter am ihrem natürlichen Körpergeruch zu erkennen.

Düfte begleiten uns also buchstäblich ab der ersten Lebenssekunde. Vielleicht macht diese Ur-Vertrautheit ihre Faszination aus, vielleicht versetzen uns manche Gerüche in den Mutterleib zurück, ohne dass uns dies bewusst wird. Möglicherweise imitieren wir bei der Benutzung von Parfüms und Kosmetik naturgegebene Bindungs-Mechanismen.

An zahlreichen Experimenten mit Tieren wurde bereits bewiesen, dass ihre Partnerwahl mit Hilfe des Körperduftes erfolgt, der wiederum genetisch gesteuert vom Immunsystem festgelegt wird. Nagetiere erschnüffeln sich sozusagen einen Sexual-Partner mit möglichst diametral entgegen gesetzter genetischer Ausstattung, so dass die Nachkommen besser an die Umwelt angepasst sind als die Vorfahren. Untersuchungen mit Menschen zeigten bislang zwar voneinander abweichende Ergebnisse, jedoch deutet vieles darauf hin, dass beispielsweise Frauen, die die empfängnisverhütende „Pille“ nehmen, oft den „falschen“ Partner wählen. In einem Versuch in der Schweiz mit Trennungs-Paaren stellte sich heraus, dass die Nasen der Frauen nach Absetzen der Pille den eigentlichen Geruch ihres Partners wahrnehmen konnten (und plötzlich nicht mehr leiden konnten). Es gibt unterschiedliche Experimente, die zeigen, wie Frauen auf bestimmte männliche Düfte (an getragenen T-Shirts) reagieren.

Auch die Tatsache, dass der Mensch über auffallend viele Gene verfügt, die ihn mit differenzierten Riechfähigkeiten ausstatten, lässt Wissenschaftler vermuten, dass der Geruchssinn keineswegs ein antiquierter oder gar verlorener Sinn ist. Mit etwas Übung kann ein Mensch tausende von Düften bewusst unterscheiden lernen. Einen interessanten 9-Minuten-Film (in englisch) über den Riechsinn kann man hier anschauen.

Jedoch auch auf der unbewussten Ebene lassen wir uns mehr an der Nase herum führen als uns lieb ist. Das zeigen steigende Verkaufszahlen bei Firmen, die Räume und Gegenstände zwecks besserem Konsumverhalten der Kunden beduften.

Die meisten Menschen assoziieren auch heute noch Wohlgeruch mit Gesundheit, Spiritualität und Religion, Gestank hingegen warnt vor Krankheit, Tod und Teufel. Das uralte Ritual des Räucherns benutzten unsere Vorfahren, um eine Verbindung „nach oben“ mit Gott oder den Göttern herzustellen: Wohlriechender Rauch, der in die unendlichen Weiten des fernen Äthers aufsteigt, war Jahrtausende lang die einzige Möglichkeit, den Himmel buchstäblich zu berühren, um den Gottheiten ein Geschenk oder ein Opfer zu überbringen. Sowohl das ätherische Öl erinnert an dieses uralte Bedürfnis als auch das alltägliche Wort Parfüm: per fumum (lateinisch) bedeutet „durch den Rauch“ oder „mit Hilfe des Rauches“. Die Verwendung von Duftstoffen fiel also einst in den Bereich des Sakralen, sie war in einigen Kulturen nur den Priestern und Mächtigen vorbehalten. Auch heute noch findet in der katholischen Kirche Re-Ligion (Wieder-Verbindung) mit Hilfe von unterschiedlichen Räucherungen statt, die je nach Zeremonie und Rezeptur sogar leicht bewusstseinsverändernde Wirkungen haben können. Denn Olibanum (Boswellia sacra), der gebräuchlichste Weihrauch, kann Spuren von THC (Tetra-hydro-cannabinol) enthalten, das auch im Haschisch enthalten ist.

Altmodisch anmutende Wörter wie Lavendel- und Wacholderspiritus, die von Begriffen wie Geist, Atem und auch atmen (lateinisch: spirare) abgeleitet sind, erinnern daran, dass diese flüchtigen Substanzen durch Destillieren der (Duft-)Pflanzen gewonnen wurden, die sozusagen die Duftstoffe ausatmen, um den Geist des Menschen zu beleben.

Wenn man sich also mit Düften beschäftigt, be-greift man allmählich, dass wir Duft-Wesen sind, in-spirierte Kreaturen sozusagen, von “Geist” belebt und durchdrungen. Und wir können ahnen, dass einem Menschen, der an Anosmie leidet, also nicht mehr riechen kann, sehr viel mehr verloren geht als nur das tägliche Parüm. Dass Anosmie in vielen Fällen sogar depressiv machen kann. Mehr über den Riechsinn und über das faszinierende Vomeronasalorgan in der Nase (fast) jedes Menschen hier und hier. [Auszüge aus “Aromatherapie – Die Heilkraft ätherischer Pflanzenöle“]