Im britischen Palliative Care-Bereich ist es unvorstellbar, Menschen ohne ätherische Öle zu begleiten. Es ist vielleicht eines der wichtigsten, dankbarsten und effektivsten Gebiete der Aromatherapie. Nicht nur kann man mit schönen Naturdüften die meistens angsterfüllten und belastenden Momente von Menschen mit der schrecklichen Diagnose „unheilbar!“ lindern. Letztendlich wird damit ein Todesurteil von Seiten der Ärzte ausgesprochen, oft mit genauen Zeitangaben. Tatsächlich können ätherische Öle diese Zeitangaben verändern, also verlängern, wie in einigen Beobachtungsstudien beschrieben wurde. Auch Pflegende können berichten, dass es immer wieder vorkommt, dass Menschen aus dem Hospiz entlassen werden müssen, weil der Tod doch nicht bevor steht, wie ursprünglich vorgesehen angenommen, sie konnten sich mit Hilfe einer gut eingesetzten ganzheitlichen Pflege erholen und wieder Heim gehen.
Ich wurde einmal von jemanden gefragt, welche Öle ich im Palliative Care-Bereich einsetzen würde, hätte ich nur 10 Fläschchen zur Auswahl. Sie hat das eher seltene „Problem“, dass sie „zu viele“ Freiheiten bei der von ihr eingesetzten Aromapflege hat und dazu neigt, zu viele Öle zu bestellen. Ich schlug folgende Öle vor, auch wenn ich nicht weiß, welche speziellen Betreuungssituationen in ihrem konkreten Fall zu berücksichtigen sind. Ihr Anliegen ist, insbesondere bei Unruhe, Ängsten und Schmerzen effektiv helfen zu können.
- Lavendel fein (Lavandula angustifolia) bei Unruhe, Angst und Schmerzen
- Mandarine (Citrus reticulata) bei Unruhe, Angst, Aggression, Wut
- Petit Grain [evtl. mit Neroli] (Citrus aurantium) bei Angst, Alpträumen, Unruhe, Konzentrationsproblemen, Infektionen der Atemwege (bei bereits sehr geschwächten Menschen), Infektionen der Haut
- Kamille römisch (Chamaemelum nobile/Anthemis nobilis) bei tief sitzenden Ängsten, bei heftigen psychischen Reaktionen auf die Diagnose, Alpträumen, Verlust-Ängsten, Gefühl der Verlorenheit und des Ausgeliefertseins, zum Loslassen bei starken Schmerzen
- Lorbeer (Laurus nobilis) bei starken Schmerzen, bei Infektionen, bei Verwirrtheit, zur seelischen Stabilisierung
- Cajeput (Melaleuca leucadendron) bei Schmerzen und Infektionen/Verschleimung der Atemwege
- Rose (Rosa damascena) bei Schmerzen, Entzündungen (insbesondere der Schleimhäute), Angst, Unruhe, spirituellen/religiösen Krisen, zur Sterbebegleitung
- Weihrauch (Boswellia sacra/carterii) bei Schmerzen, Entzündungen, Angst, Unruhe, spirituellen/religiösen Krisen, zur Sterbebegleitung
- Manuka (Leptospermum scoparium) und/oder Teebaum (Melaleuca alternifolia) bei allen infektiösen Prozessen, bei MRSA, bei Schwellungen der Schleimhäute, zur Vorsorge und lindernd bei Radiotherapie-Schäden, gleichzeitig psychisch stabiliserend und erdend)
- Pfefferminze (Mentha piperita) bei Übelkeit, Schluckstörungen, Gewichtsabnahme, Kopfschmerzen, Verschleimung der Atemwege (bei noch nicht extrem geschwächten Menschen), Konzentrationsstörungen, Schwäche/Müdigkeit, auch zur Vorsorge bei Radiotherapie-Schäden
Ohne also die genauen Umstände zu kennen, wären diese ätherische Öle meine erste Wahl, um Menschen im Palliativ Care-Bereich zu begleiten und versorgen. Freilich gehören noch Rosen- und Melissenhydrolat dazu, auch Sanddornfruchtfleischöl und Calophyllumöl sowie ein gutes Aloe vera-Produkt sind meiner Ansicht nach unentbehrlich. Viele andere Öle könnten freilich auch zum individuellen Einsatz kommen. In meinem umfangreichen Beitrag zum Aromapflege-Handbuch (klick!) habe ich viele Studien zu diesem Themenbereich aufgelistet.
Wer das Buch Heilpflanzen in der Pflege (klick!) von Ursel Bühring und Annegret Sonn noch nicht kennt, kann auch daraus wertvolle Informationen ziehen, es ist letzten Monat in der 2. Auflage erschienen. Schade, dass Annegret diese Frucht ihrer unermüdlichen Kräuterarbeit nicht mehr erleben (klick!) darf.
Ich habe ätherische Öle bei meinen Eltern angewandt – sie durften beide zu Hause sterben. Bei meinem Vater hat meine Mutter diesen beruhigenden und begleitenden Duft sehr genossen und ich musste ihr versprechen, dass auch sie diesen Duft bekommen würde, wenn sie geht. Es war eine Mischung aus Rose, Mandarine, Neroli und Weihrauch..
Danke für diesen schönen Beitrag. Er kommt wie gerufen, da mein Vater gerade mit Oberschenkelhals- und Armbruch ins Krankenhaus kam. Für einen alten Menschen eine enorme Belastung.
Ich hatte, da ich mich sowohl der Krankenhausroutine, als auch meines Vaters Misstrauen gegen Alternativtherapien unterwerfen musste, nur Neroli, Lavendel, Rose und Sanddorn in etwas käuflichem Hauschka-Rosenöl mitgenommen. Außerdem hab ich (das war ein reines Experiment) Bachblüten in einem selbstgemachten Lippenpflegestift eingegossen.
Nun, was auch immer da nun gewirkt hat, sein Zustand besserte sich zum absoluten Erstaunen des Pflegepersonals schneller, als vermutet. Persönlich bin ich vom Beitrag der Öle überzeugt. Ob der Bachblütenstift auch half, kann ich ja so leider nicht feststellen. Da er aber über die Lippen an die Schleimhäute kommt, denk ich schon.
Wie gut mein Vater wieder auf die Beine kommt, lässt sich noch nicht sagen. Ich werde aber weiter Öle und Hydrolate anbieten, notfalls eben als einfache Pflegemittel „getarnt“.
Ich bin eigentlich dagegen, ohne Zustimmung Mittel anzuwenden, aber mein Vater war durch die Medikamente noch nicht wieder richtig klar. Später werde ich ihn, wenn möglich, genau aufklären und auf seine Wünsche eingehen.
Meine Schwester konnte ich vom Einsatz ätherischer Öle noch nicht überzeugen, weil sie auf alles was „Pflege“ oder „Krankheit“ beinhaltet, abweisend reagiert. Sie möchte diese Themen noch ausblenden. Vielleicht auch ein Grund, warum sich Angehörige solch hilfreichen Büchern, wie deinem Aromapflegebuch und ähnlich guten Titeln leider nicht nähern. Vielleicht ist ein aufmunterndes „Pflanzendüfte für Senioren“ fällig. Ein kurzes, knappes Büchlein zur Selbstbehandlung und für Angehörige. Eben nicht „Anti-Aging“ sondern „Pro-(S)ageing“ (für die alten Weisen).
Ich konnte mir allerdings nicht verkneifen, diesen Beitrag weiterzuleiten. Danke, dass du dein Wissen mit und teilst.
Gaby
Vielen Dank für deinen Beitrag liebe Eliane. Mir zeigt er wieder einmal mehr, mit wie wenigen Ölen man eine solche Bandbreite an Symptomen abdecken kann und damit ein würdevolles, angstfreies Verabschieden und Übergehen in ein neues Leben begleiten darf.
Ich durfte vor 1 1/2 Jahren meinen Schwiegervater begleiten. Ich steckte damals mitten in der Ausbildung zur Aromatologin und konnte/durfte mein Wissen gleich anwenden. Mein Schwiegervater hatte noch nie über seine Gefühle reden können und in diesen Monaten war er komplett verstummt. Mit keinem Wort war es ihm möglich sich auszudrücken, weder über seine Schmerzen noch über seine Ängste, Gedanken udgl. Nur seine Augen flehten mich an ihm zu helfen. Ich gab ihm „nur“ Rose für sein Herz, das mir wie versteinert schien. Er wurde merklich ruhiger, schlief viel, bis er dann für immer einschlief, ganz friedlich…
Ich bin auch grundsätzlich dafür, nur mit Einverständnis die Öle einzusetzen und zu verwenden, aber gerade in diesen letzen Momenten ist dies nicht immer möglich. Aber auch so konnte ich mit Gewissheit sagen, dass ich mit seinem Einverständnis gehandelt hatte, auch wenn wir nie darüber sprachen.
Liebe Grüße
Martina
Vielen Dank für diesen Artikel!
Was ich auch bei mir beobachten konnte, ist oft die Angst davor, ätherische Öle ins Krankenhaus oder auch ins Pflegeheim mitzunehmen. Ich hatte selber z.B. zur Geburt meines Sohnes Rosenöl mit. Das war mit der Hebamme so ausgemacht, allerdings war dann doch bei der Geburt eine andere Hebamme da und ich getraute mich nicht, mein Öl auszupacken oder auch zu erwähnen – während der ganzen Krankenhauszeit nicht. Dazu hat aber auch beigetragen, dass darüber geredet wurde, dass viele Ärzte das nicht wollen. Diese Angst, hat auf jeden Fall eine negative Atmosphäre geschaffen. Und ich war heilfroh, als mir eine Krankenschwester einige Tage nach der Geburt ein Sitzbad anbot, ganz überraschend mit Lavendel (davon hatte sie nämlich nichts gesagt) – sie hat mir damit eine große Freude gemacht.
Meiner Großmutter ging es auch ähnlich, als wir ihr etwas ins Pflegeheim mitbrachten. Sie mochte es zwar zu Hause sehr gern, lehnte aber dann alles ab, von Ölen, Massageöl, Cremen, etc. – weil da schimpft das Pflegepersonal, wenn man etwas verwendet, das nicht von ihnen kommt. Das macht die Situation dann erst richtig schwierig. Und ich nehme an, dass die Situation auch für das Pflegepersonal sehr schwierig ist, da ist das mit der Selbstbehandlung glaub ich gar nicht so leicht. Das Personal möchte ja auch schädliche Einflüsse verhindern. Ich glaube, dass das Aromapflege-Heilbuch da gute Dienste leistet und leisten wird – aber wie heißt es oft: gut Ding braucht Weile.
Silvia
Meine Tochter musste kurz nach einer normal verlaufenen Hausgeburt im Krankenhaus (wegen der Bilirubinwerte) ein ziemliches Martyrium durchlaufen. Ich mag da kaum dran denken.
Als ich sie mit Gewaltandrohung dann endlich wieder zu Haus hatte, gab mir die Hebamme Rosenöl mit den Worten: „Massiere sie täglich damit, das holt ihre Seele zurück“…
Das ist sowas von wahr… ich bin so dankbar, dass ich diese Hebamme hatte…
Danke liebe Eliane für die interessante Auflistung. Ich persönlich habe auch schon oft die Schafgarbe in eine Mischung zur Sterbebegleitung gegeben. Sie hat mir als „Mittlerin“ in vielen „festgefahrenen“ Situationen weitergeholfen.
Liebe Anja,
Ich würde gern Genaueres über deine Schafgarbenanwendungen erfahren. Sie ist eine meiner Lieblingspflanzen und ich habe sie bisher hauptsächlich als Frauen-, Strahlenschutz- und Krebspflanze eingesetzt. Vielleicht hast du ja Lust und Zeit mehr zu berichten.
Gaby