Aromatherapie-Einsatz in einem Krisengebiet. Mein achter Beitrag zu Vorträgen, die auf der inspirierenden Konferenz Aromatherapie-Botanica2014 zu hören waren, ist fast nicht in Worte zu fassen. Ähnlich wie bei den Worten und beim berührenden Video der südafrikanischen Krankenschwester Linda-Anne O’Flaherty, gab es auf dem Vortrag von Julia Hoffman Graves ‘standing ovations’. Die engagierte deutsche Phytotherapeutin und Buchautorin, die in Frankreich lebt, bekam aus erster Hand mit, wie es um die Gesundheit der ohnehin sehr, sehr armen Bevölkerung in Haiti stand, nachdem im Januar 2010 ein verheerendes Erdbeben über 300.000 Menschen getötet hatte. 300.000 Menschen wurden darüber hinaus teils schwer verletzt, eine Million Menschen wurden obdachlos, das Wasser war größtenteils verseucht.

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Julia und Jinpa bei der Arbeit in Haiti (© Fotos Julia Hoffman-Graves)

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Julia, Jinpa und geduldig wartende Menschen auf Haiti

Sie überlegte quasi nur rasch, dass ätherische Öle und homöopathische Globuli besser in ihr Fluggepäck passen würden, als große Mengen der von ihr üblicherweise verwendeten getrockneten Heilkräuter und Tinkturen, Aromatherapie ist sozusagen eine sehr kompakte Version der traditionellen Phytotherapie. Sie fragte im Bekannten- und Freundeskreis nach überflüssigen, unbenutzten und ungeliebten ätherischen und fetten Ölen sowie Homöopathika, packte ihre Siebensachen und flog nach Haiti, um rasch und unbürokratisch Erste Hilfe zu leisten. Was sie bei ihrer ersten Anreise vorfand, war ein unvorstellbares Chaos aus Nichts, Schmutz und Leid. Selbst ein Tisch, um ihre Sprechstunde abzuhalten, stand zunächst nicht zur Verfügung.

Sie ließ uns in ihrem Vortrag an diesem Vakuum nach der grausamen Naturkatastrophe mit Hilfe einer Diashow teilhaben. Sie schilderte in wenigen Worten, wie sie mit wenigen Tropfen ätherischer Öle große Erfolge verzeichnen konnte. Seitdem hat sie zweimal im Jahr jeweils drei Wochen lang, tausende von Tütchen mit aromatischen Kräutern und Fläschchen mit Ätherisch-Öl-Mischungen ausgegeben.

Julia_Graves_Botanica2014Mit Hilfe von lokalen Freiwilligen, die übersetzten, Wartenummern an Menschen in endlosen Warteschlangen verteilten, Öle nach Julias Anweisung mischten und abfüllten und die sie auch sonst tatkräftig unterstützten, konnte man circa 300 Menschen pro Tag behandeln. Ihre Initiative ‘Naturopathic Relief Clinic for Haitian Earth Quake Survivors’ konnte bis heute 18.000 verarmten und Not leidenden Menschen helfen. Sie schilderte das ganze Unternehmen als ‘zufällige Feldstudie’ und war selbst erstaunt, wie ätherische Öle, teilweise in kleinsten Mengen, Infektionen mit Mikroorganismen und Parasiten reduzieren konnten. Ja, dass sogar die Gesundheit der Bevölkerung stabilisiert werden konnte, vermutlich durch eine erfolgreiche Modulierung des Immunsystems der betroffenen Menschen.

Über 50 Prozent der Bevölkerung in Haiti sind Jugendliche und Kinder. Demzufolge zählten die Jüngsten (samt ihren Müttern) zu den häufigsten Besuchern der Heilpflanzen-Sprechstunde. Aber auch verwaiste Kinder kamen und mussten behandelt werden. Eine der schlimmsten Plagen speziell in dieser jungen Altersgruppe sind Würmer, so dass Tee aus Wermutblättern (Artemisia absinthum) verteilt wurde und der trotz des immens bitteren Geschmacks gut angenommen wurde, auch Gemeiner Beifuss (Artemisia vulgaris) und Einjähriger Beifuss (Artemisia annua) als Droge (getrocknetes Kraut) oder Tinktur kamen zum Einsatz. Bei Kindern, die vermutlich ihre Eltern verloren hatten, so dass keine konstante Gabe der Heilkräuter gewährleistet war, wurde das homöopathische Präparat Cina (Artemisia maritima) verabreicht. Die Zuckerkügelchen waren auch von Vorteil, wenn sauberes Wasser für die Zubereitungen nicht zur Verfügung stand – was oft der Fall war.

An ätherischen Ölen wählte Julia die Mittel aus, die möglichst breitgefächert wirken und preiswert zu bekommen waren: Lavendel, Teebaum, Eukalyptus und Zitrone. Sie wurden in lokal erhältlichem Baumwollsamenöl verdünnt (10 Tropfen auf 30 ml), in Fläschchen gegeben, an die Bevölkerung verteilt und für allerlei Beschwerden eingesetzt: Hautverletzungen, Geschwüre, Juckreiz (beispielsweise am After wegen der Würmer), vaginaler Ausfluss, Ohrenschmerzen und vereiterte Augen. Mit einem Tropfen der Mischung wurde auch die tägliche Flasche mit Trinkwasser “gereinigt”.

Bei der dritten und vierten Reise nach Haiti waren Julia und ihr Team mit einer kniffligen Situation konfrontiert, denn UNO-Soldaten aus Nepal hatten die Cholera ins geplagte Land importiert. Um Vorsorge gegen Ansteckungen zu betreiben, wurde das Trinken des lokalen Zitronensaftes empfohlen und ätherisches Zitronenöl verteilt. 2-3 Tropfen Zitronenöl entkeimten offenbar 6 Kubikmeter der heran gekarrten Wasserkanister, so dass es in der Region rund um Julias Sprechstunden keine Cholerausbrüche gab. Für diesen Bereich sowie bei Lungenbeschwerden verwendete das Team auch Thymiankraut, Thymianöl und Nelkenknospenöl. Sie schilderte einige regelrechte Wunderheilungen und wie dankbar die Bevölkerung auf die helfenden Menschen, auf die Kräuter und die Öle reagierte, man empfand das Team als von Gott gesendete Helfer.

Nach diesem bewegenden Vortrag war es zunächst mucksmäuschenstill im Saal, dann kam stehender tosender Applaus, hier und da flossen Tränen und jemand stand auf und rief in den Saal: Wir müssen helfen! Julia, mach’ eine Facebook-Seite auf! Worauf Julia erwiderte, dass sie ihre Zeit lieber mit dem Helfen von Not leidenden Menschen verbringt als im Internet. Sie will auch ein Einpersonen-Hilfsunternehmen (mit ein paar Helfern) bleiben, damit kein Cent an Hilfsgeldern durch Bürokratie verloren geht. In der folgenden Pause wurden dann hinter den Kulissen “Rädchen gedreht” und anschließend erfuhren wir im Publikum, dass alle ausstellenden Firmen im Foyer ihre Tester und restlichen Öle nach dem Ende der Dreitage-Konferenz für Julia zusammen packen würden. So dass sie wieder pflanzliche Heilmittel auf ihrer nächste Reise nach Haiti im Gepäck haben wird.

Graves_Julia_CoverVielleicht gibt es LeserInnen meines Blogs, die auch ätherische und fette Öle besitzen, die sie nicht so mögen oder von denen sie schlicht zu viel gekauft haben, Julia kann solche Spenden bestens gebrauchen. Also ab damit in ein Päckchen und zur Post! Sie und ihr Team haben derzeit ausreichend Zitronenöl, Teebaumöl, Eukalyptusöl und Lavendelöl. Sie schrieb mir, dass sie sehr gerne Nadelöle (Fichte, Tanne, Kiefer) mitnehmen würde und sie benötigt dringend kleine Fläschchen, so eine Art Probenfläschchen (gerne nur circa 1 cm hoch), diese möchte sie mit unverdünnten Ölen an die Bevölkerung ausgeben, wenn Trinkwasser zu dekontaminieren ist. Auch stehen einige Kunststoffflaschen (ätherisch-öl-beständig) auf ihrer Wunschliste, damit sie die Öle, die sie derzeit in größeren Aluflaschen (mit Explosivzeichen) hat, aufteilen kann und sicherer im Flugzeug transportieren kann. Geldspenden sind freilich auch sehr, sehr willkommen, der Paypal-Knopf (Stichwort Haiti-Hilfe) und sonstige Infos sind auf ihrer Haiti-Hilfs-Website (klick!) zu finden. Für Menschen, die ihr homöopatische Mittel zukommen lassen möchten, gibt es hier (klick!) eine Wunschliste an Mitteln, die auf Haiti am meisten benötigt werden. Die (hoffentlich zahlreichen!) Spendenpäckchen werden am besten nach New York geschickt an:
Michelle LaDue
c/o Bradley Grossmann
455 West 23rd Street, Suite 1E
New York, NY, 10011
USA

Julia hat übrigens ein wundervolles Buch geschrieben, auf englisch, über die Signatur der Pflanzen: The Language of Plants (klick!). Und hier ist die Adresse für Sachspenden, die man lieber innerhalb Europas verschicken möchte (statt an oben stehende Adresse in die USA):
Julia Graves
Peyrissaguet
19370 Chamberet
Frankreich