Nachdem die Krankenpflege-Fachfrau Renate Figl, die auf einer Intensivstation arbeitet, mir die berührende Geschichte einer aromapflegerischen Intervention bei einem gefährlichen und hartnäckigen Fall schilderte, bat ich sie, mir die Geschichte ihrer Patientin aufzuschreiben. Ich gebe diese ausführliche Schilderung mit ihrer Erlaubnis weiter, auch die Patientin war damit einverstanden, sofern ihre Anonymität gewahrt bleibt. Danke, liebe Reni! [Achtung, wer keine heftigen Wunden anschauen kann, sollte nicht weiter runter gehen!]
„Ich lernte die Patientin an ihrem 5. stationären Tag kennen. Es handelt sich um eine junge Frau unter 20 Jahren, welche wegen einer Meningokokkensepsis (lebensgefährliche Infektion*) auf Station aufgenommen wurde. Unter anderem kam es bei der Patientin zu massiven Petechien (winzige Blutungen, als Pünktchen zu erkennen) über den ganzen Körper verteilt. Die Einblutungen nahmen an Größe zu und sind nach ein paar Tagen besonders sakral (im Kreuzbeinbereich) und an den Zehen nekrotisiert (absterbendes Gewebe) und somit zu einem pflegerischen Problem geworden. Nach dem Einverständnis der Betroffenen, der Eltern und der behandelnden Ärzte konnte die Aromatherapie beginnen.
Es war allerdings vereinbart, zwischen den Ärzten und mir, dass ich die Aromatherapie nur übers Wochenende ausführen dürfe, also von Freitagnachmittag bis zum Montag, anschließend würde ein Dermatologe hinzu gezogen. Widerwillig musste ich zustimmen, da ich noch in der Implementierungsphase der Aromatherapie stecke. Die zuständigen Arbeitskollegen/innen wurden von mir informiert und Dank ihrer Mitarbeit konnten wir die im Folgenden dokumentierten Erfolge erzielen.

links: Kreuzbeinbereich am 5. stationären Tag vor Beginn der Aromatherapie, rechts: 24 Stunden nach Beginn der Aromatherapie
Die Nekrosen (absterbendes/abgestorbenes Gewebe), insbesondere im Kreuzbeinbereich, zeigten eine pflegerische Herausforderung, an der wir unbedingt eingreifen mussten. Normalerweise wird sofort ein Dermatologe hinzu gezogen. Da es sich aber im Zeitraum der Festtage handelte, und kein Dermatologe zu erreichen war, bemühte ich mich mit Hilfe der Aromatherapie die Situation in den Griff zu bekommen.
Verwendete ätherische Öle
- Immortelle, Helicrysum italicum 3%
- Cistrose, Cistus ladaniferus 2%
- Manuka, Leptospermum scoparium 1%
- Lavendel fein, Lavandula angustifolia 1%
- in fetten Ölen: Mandelöl, Prunus dulcis 70 ml
- Johanniskrautöl, Hypericum perforatum 15 ml
- Sanddornfruchtfleisch, Hippophae rhamnoides 15 ml
- Rosmarin, Rosmarinus officinalis Ct. Cineol 0,5%

links: 24 Stunden nach Beginn der Aromatherapie, rechts: nach einem zweiten septischen Schub am vierten Tag der Aromatherapie
Es zeigen sich nekrotische Stellen am 1.-2. und 5. Zeh. Siehe Bild oben. Es konnten kaum noch Verbesserungen erzielt werden. Die Aromatherapie wurde deshalb nach 21 Tagen beendet. Es kam zur Diskussion ob eine pharmakologische bzw. chirurgische Entfernung der Nekrose sinnvoll wäre. Die Mobilität der Patientin wäre mit einer Wunde am Fuß stark beeinträchtigt gewesen, weshalb für den Moment eine Nekrosen-Entfernung nicht in Betracht gezogen wurde. Die Patientin wird nach 30 Tagen Intensivtherapie auf die Reha verlegt.
Auswahl der ätherischen Öle und Begründung
Ich möchte die einzelnen Komponenten des revitalisierenden Öles, das wir verwendeten, vorstellen.
- Immortelle, Helichrysum italicum: Es werden der Immortelle u.a. diese Wirkungen zu geschrieben: stark antikoagulierend – Hämatomöl – epithelisierend
- Cistrose, Cistus ladaniferus: Es werden der Cistrose u.a. diese Wirkungen zu geschrieben: stark antihämorrhagisch – stark antiviral – analgetisch – antibakteriell
- Manuka, Leptospermum scoparium: Es werden dem Manuka u.a. diese Wirkungen zu geschrieben: stark antibakteriell – stark antimykotisch – stark hautregenerierend – antiphlogistisch
- Lavendel fein, Lavandula angustifolia: Es werden dem Lavendel u.a. diese Wirkungen zu geschrieben: sedativ – antiphlogistisch – epithelisierend – analgetisch – angstlösend
- Johanniskraut-Öl, Hypericum perforatum: Es werden dem Johanniskraut-Öl folgende Wirkungen u.a. zu geschrieben: antiphlogistisch – antibakteriell – antitraumatisch/schmerzlindernd
- Sanddornfruchtfleisch-Öl, Hippophae rhamnoides: Dem Sanddornfruchtfleisch-Öl wird u.a. folgende Wirkung zu geschrieben: stark antiphlogistisch – analgetisch – stärkt und regeneriert die Haut
- Rosmarin, Rosmarinus officinals Ct. Cineol: Dem ätherischen Öle von Rosmarin Ct. Cineol wird vor allem eine konzentrationsfördernde und durchblutungsfördernde Wirkung nachgewiesen. Da der Rosmarin aber auch den Blutdruck steigen lässt, habe ich zu Beginn der Anwendung eine 0,5% Lösung separat nur an den Zehen verwendet. Das Mandelöl dient als fette Trägersubstanz.
Anwendung und Behandlungsplan
Applikation: 3x täglich okklusiver Ölverband und 2x tägl. Einreibung der Zehen mit dem Rosmarin 0,5% in den ersten 24 Stunden. Nach 24 Stunden Aromatherapie konnte ich beobachten, dass die große Zehe, welche 2x täglich mit 0,5% Rosmarin officinalis Ct. Cineol eingerieben wurde, besser bzw. schneller heilte als die sakrale Zone, deshalb wurde das Revitalisierende Öl verändert, siehe weiter unten. Das revitalisierende Öl wurde 4mal erneuert. Dabei wurden einmal das Rosmarinöl hinzugenommen, dann die Konzentration der einzelnen Öle erhöht und schließlich die hautpflegenden Öle weggelassen. Siehe Behandlungsplan weiter unten.
Erstes Revitalisierendes Öl (02.01.)
- Mandelöl
- Johanniskrautöl
- Sanddornfruchtfleischöl
- 3% Immortelle
- 2% Cistrose
- 1% Manuka
- 1% Lavendel fein
Nach Aufbrauchen der 100 ml Lösung innerhalb von zwei Tagen wurde ein
Zweites Revitalisierendes Öl angewandt (04.01.)
- Mandelöl
- Johanniskraut
- Sanddornfruchtfleisch
- Sonnenblumenöl (Ersatz für nicht ausreichend zur Verfügung stehendes Mandelöl)
- 3% Immortelle
- 1% Manuka
- 1% Lavendel fein
- 1 gtt Rosmarin Ct. Cineol
Cistrose war leider ausgegangen, und nach Ausgehen dieser Mischung innerhalb eines Tages wurde die dritte Mischung angewandt
Drittes Revitalisierendes Öl (es wurde nur mehr auf den Zehen angewandt (05.01.))
- Mandelöl
- Johanniskraut
- Sanddornfruchtfleisch
- 3% Immortelle
- 2% Cistrose
- 1% Rosmarin
- 1% Lavendel fein
- 1% Manuka
Viertes Revitalisierendes Öl (identisch mit dem 3. Revitalisierenden Öl (10.01.))
Fünftes Revitalisierendes Öl (12.01.) In Absprache mit den behandelnden Ärzten wurde beschlossen, die hautpflegenden Produkte weg zu lassen, da es sich auf den Zehen um eine intakte Haut handelte. Es wurde weiterhin beschlossen, vermehrt für die Durchblutungförderung zu arbeiten.
- Mandelöl
- 3% Immortelle
- 2% Manuka
- 1% Rosmarin
Beobachtungen und Schlussfolgerung
In den ersten 24 Stunden konnte ich beobachten, dass die Zehen, welche separat mit dem 0,5 % Rosmarinöl 2x täglich eingerieben wurden, schneller aufhellten als der Kreuzbeinbereich. Deshalb beschloss ich, Rosmarinöl in die Gesamtmischung hinein zu geben. Zudem hat sich der Allgemeinzustand der Betroffenen in den ersten 24 Stunden stark gebessert. Die Entzündungszeichen nahmen ab. Den Rosmarin habe ich bewusst niedrig dosiert, da ein hohes Embolierisiko bei der Patientin bestand und ich Angst hatte, falls etwas passieren würde, ich und meine Öle beschuldigt würden. Im Verlauf der Therapie wurde ich mutiger aufgrund der Erfolge und begann zunehmend höher zu dosieren.
Als am Montag der Dermatologe eintraf, war ich leider nicht im Dienst und als ich auf Station ankam, hatte ich ihn verpasst. Er übernahm wie bereits geschrieben, die Behandlung der sakralen und inguinalen Nekrosen, hatte aber keine Einwände am Fortführen der Behandlung mittels der Aromatherapie an den Zehen. Ein Erfolg! Ein weiterer Schritt in unserem sehr schulmedizinisch orientierten Regionalkrankenhaus! Am 3.-4. Aromatherapie-Tag kam es zu einem zweiten septischen Schub. Der Zustand der Patientin verschlechterte sich drastisch. Ebenso die Nekrosen. Wir fuhren mit der Aromatherapie fort bis zum 21. Tag. In der dritten Woche konnte kaum noch eine Veränderung beobachtet werden. Die Hämatome waren gelblich verfärbt und es zeigten sich abgegrenzt die nekrotischen Stellen. Es wurde beschlossen die Aromatherapie zu beenden.
Insgesamt 200 Euro kostete mich die Aromatherapie für den Erhalt der drei Zehen.
Eine chirurgische Entfernung bzw. eine pharmakologische Lyse wurde nicht in Betracht gezogen, da die Mobilität der Betroffenen im Vordergrund stand, und diese mit einer offenen Wunde am Fuß stark beeinträchtigt gewesen wäre.
Bei einem Patientenbesuch auf der Reha-Station konnte ich den Fuß noch einmal sehen. Die Hornschicht hatte sich gelöst. Am 5. Zeh war nur mehr ein Stecknadelkopf große schwarze Verfärbung erkennbar. Der 2. Zeh hatte eine gelblich bräunliche Verfärbung an der Kuppe und der große Zeh war mit der sich lösenden Hornhaut schwarz gefärbt. Der von der anderen Station nun hinzugezogene Dermatologe ordnete eine Fettsalbe und einen Verband an und entfernte die sich lösende Hornhaut.
Zitat der Patientin: „ Danke, du hast mir meine Zehen gerettet. Sonst hätten sie sie mir abgeschnitten. Dann wäre ich jetzt ein Krüppel …“
Sicherlich spielte eine große Rolle, dass die Patientin nur kurz und in den ersten Tagen katecholaminpflichtig war, und es sich um eine junge gesunde Person handelt. Die Katecholamine (besonders das Noradrenalin) verminderten den peripheren Blutkreislauf (besonders der Extremitäten), bedingt durch die Vasokonstriktion (Gefäßverengung). Die Gefäße werden durch diese Medikamente durchlässig, ein Gefäßleck verursacht deshalb den Austritt der Blutkörperchen in das Gewebe. Sichtbar zuerst als kleine punktförmige rote Flecken (Petecchien), die sich zunehmend über den ganzen Körper ausbreiten. Aber nicht nur an der Körperoberfläche, sondern auch intern in den verschiedenen Organen. Dabei verkleben die Blutplättchen, da die Blutgerinnung aktiviert wird und verstopft somit noch alles. Es kommt schließlich zur Minder- bzw. fehlenden Durchblutung des Gewebes. Es stirbt ab und wird nekrotisch.
Die sakrale Zone hatte sich in den ersten 24 Stunden der Aromatherapie sichtbar verbessert. Die lokalen Entzündungszeichen waren rückläufig. So hat sich am dritten Tag der Aromatherapie bereits nur noch die Nekrose heraus kristallisiert, welche dann vom Dermatologen behandelt wurde. Zuerst pharmakologisch aufgelöst und dann mehrmals in Abständen chirurgisch entfernt.
Ohne die Unterstützung des gesamten Teams hätten wir sicherlich nicht diesen Erfolg verzeichnen können. Ich möchte besonders meinen Kollegen/Innen, welche ohne jegliche Erfahrung im Bereich der Aromatherapie meinen Anweisungen gefolgt sind, danken. Dem Ärzteteam, welche mich gewähren ließen und meinen Vorgesetzten welche mir die Erlaubnis erteilten. Natürlich auch einen Dank an die Patientin und den Angehörigen, welche mit diesem vielleicht etwas ungewöhnlichen Behandlungsweg einverstanden waren.“
*Die Blogbetreiberin hat einige Fachbegriffe übersetzt/erläutert. Abbildungen: Collage Eliane Zimmermann, Patientenfotos: Renate Figl
Was für ein sagenhafter, unglaublicher Erfolg für die Anwendung ÄÖ im klinischen Bereich – ich bin immer wieder fasziniert von ihrer durchschlagender Kraft und Wirkung! Das kann für so viele Patienten Hoffnung geben.
Besten Dank für die Information.
Sabine
Da kann ich Sabine nur zustimmen. Und was für ein Erfolg schon allein, dass in der sonst „nur“ schulmedizinisch arbeitenden Klinik die Behandlung mit ätherischen Ölen gestattet wurde. Das muss doch die Zuständigen wachrütteln -meine ich-. Warum nur, warum, ist es ein ständiger Kampf, diese wunderbaren Heilmittel einsetzen zu dürfen.
Ich freue mich für die junge Patientin, dass sie dank der ätherischen Öle ihre Zehen behalten darf.
Danke für den ausführlichen Bericht
LG Heidi
Super gemacht Renate, meine Zehen werden dir ewig dankbar sein 🙂
Liebe Eliane, genau so einen Fall habe ich heute auf einer Intensivstation kennengelernt. Die Familie holte mich zu Hilfe, weil sie deinen Blogeintrag gefunden haben und nun mich in Hamburg als Aromapraktikerin.
Gern möchte ich für die junge Frau da sein, mal sehen, was die Ärzte erlauben. Immerhin durften wir heute schon mal etwas Lymphöl in die intakte Haut (leicht) einmassieren, den Raum beduften, mit Lavendelölmischung Dekubitusprophylaxe betreiben.
Die Mutter wird morgen die Ärzte fragen, ob Aromatherapie auch an den schlimmen Stellen erlaubt wird. Allerdings bracht man da wirklich Mut, die Füße sehen sehr schlimm, noch massiver als auf den Fotos von deiner Patientin.
Vielleicht kannst du mir da noch Tipps geben, auch rechtlich ist das sicher nicht ganz einfach.
Deine Arbeit ist einfach klasse. Danke für die vielen Informationen.
Viele liebe Grüße
Christiane Serb
wow ,das sollte doch alle die Ärzte auch aufhorchen lassen dass wir die Natur und unseren Planeten retten müssen !! Tolle Arbeit