Die Österreichische Gesellschaft für wissenschaftliche Aromatherapie feierte im vergangenen Monat in Wien ihr zehnjähriges Bestehen mit einem Kongress. Am Samstag, den 4. März 2017, trafen sich im Europahaus zahlreiche Koryphäen der wissenschaftlich orientierten Arbeit mit ätherischen Ölen.

Da ich nicht anwesend sein konnte, bat ich meine liebe Kollegin Christine Steiner, die in Wien zu Hause ist und dadurch einen Heimvorteil hatte, für uns die spannendsten und neuesten Erkenntnisse zu notieren:

Univ. Prof. Dr. Johannes Saukel sprach über pharmakognostische Grundlagen der Verwendung von Aromen natürlichen Ursprungs in der Aromatherapie. Er beleuchtete die Vielfalt der Aromastoffe aus dem Pflanzenreich und bot einen Einblick in die chemischen Stoffklassen, denen die unterschiedlichen Aromen zugeordnet werden.

Evelyn Deutsch-Grasl sprach über ‘Aromapflege am Puls der Zeit’ und rief im Sinne einer zukunftsorientierten, ganzheitlichen Betrachtung mit ihrem Vortrag zur natürlichen Hautpflege auf. Sie spannte den Bogen von den grundlegenden Aufgaben der Haut bis zur gesunden Erhaltung und Stärkung dieser unserer Schutzhülle mit vielfältigen Funktionen. Besonders kam in ihrem Beitrag die Wichtigkeit der professionellen Berührung im Rahmen der Pflege zum Ausdruck.

Dabei erläuterte sie, welche entscheidende Rolle hierbei qualitativ hochwertige fette Öle spielen, da diese die regulationsphysiologischen Prozesse unterstützen. Sie arbeitete die enorme Wichtigkeit heraus, bei bettlägerigen Menschen die Pflege mit natürlichen Produkten verstärkt in den Fokus des pflegerischen Handelns zu rücken. Denn deren Haut ist oft durch verabreichte Medikamente bzw. durch verschiedene Erkrankungen in höchstem Maße strapaziert.

Sie nannte das erfolgreiche Beispiel, zur prophylaktischen Mundpflege vor einer Chemotherapie verdünntes Sanddornöl in die pflegerische Maßnahme einzubauen. Denn seit vielen Jahren gibt es inzwischen die Erfahrung, dass auf diese Weise Mukositis der Mundschleimhaut wesentlich verringert werden kann, so dass die oft geschwächten PatientInnen weiterhin ohne starke Schmerzen Nahrung zu sich nehmen können. Ebenso erläuterte sie, dass Kanuka und Manuka bei Strahlentherapie-induzierter Mukositis deren Beginn verzögert, auch kommt es laut der entsprechenden Studie zu weniger Schmerzen und weniger Gewichtsverlust in Folge.

Aber nicht nur bei bettlägerigen Menschen ist die natürliche Hautpflege von immenser Bedeutung, so gibt es auch Erkenntnisse, dass Babymassage mit Kokosfett bei Frühchen die Hautintegrität fördert und es somit zu weniger nosokomialen Infektionen (“Krankenhausinfektion”) kommt. Auch zur atopischen Dermatitis gibt es eine Studie, derzufolge Kokosöl und Olivenöl antibakteriell und weichmachend wirkten und die Haut somit weniger durch Trockenheit und die daraus resultierenden Probleme strapaziert ist.

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Gerhard Buchbauer und Evelyn Deutsch

Univ. Prof. Mag. pharm. Dr. Gerhard Buchbauer sprach über die vielfältigen Wirkungen einiger Inhaltsstoffe ätherischer Öle. Aus einer Ätherische-Öl-Pflanze wird seltener das ätherische Öl gewonnen, sondern es werden pharmazeutisch hoch aktive Extrakte hergestellt, also Phytotherapeutika. Dieser Johanniskrautextrakt kann stark in den Metabolismus des Menschen eingreifen und ungünstige Wechselwirkungen hervorrufen. Er kann beispielsweise die Wirksamkeit der Antibaby-Pille reduzieren (wobei dieses Thema nicht abschließend geklärt ist), sowie von Antikoagulantien und auch von Medikamenten, die zur lebenswichtigen Verhinderung von Abstoßreaktionen bei Spenderorganen gegeben werden. In diesem Fall kann es bedrohlich sein, wenn dies unkontrolliert passiert.

Der Haupt-Inhaltsstoff Anethol im Anisöl interagiert mit Codein derart, dass die schmerzreduzierende Wirkung dadurch gesteigert wird. Bitterorangenöl hemmt beispielsweise das P-Glycoprotein bei Verabreichung von Dextromorphan in Hustenstillern. Hier wurde eine vierfache Verzögerung des Abbaus und somit ein vierfacher Anstieg der Bioverfügbarkeit und somit Wirksamkeit des Arzneistoffes festgestellt.

Weiters führte Dr. Buchbauer aus, dass +(-)Limonen die Gluthation-S-Transferase fördert und somit die Apoptose einleiten kann (der natürliche programmierte Zelltod einer jeden Zelle unseres Körpers) – was sehr vielversprechend in der onkologischen Therapie ist.

Er berichtete von der Chamomilla recutita, welche das Enzym Cytochrom P450 (wichtig zum Um-und Abbau bestimmter Medikamente) hemmt und schilderte einen Fall, wo eine Dame, welche Blutverdünnungsmittel nehmen musste und plötzlich innere Blutungen bekam. Es stellte sich heraus, dass die Dame täglich gerne mehrere Tassen Kamillentee genoss und Hautpflegeprodukte mit Kamille liebte. Die Wirkstoffe der Kamille hemmten die Enzyme, die das Medikament abbauen sollen und so kam es zu einer extremen Anreicherung mit den Nebenwirkungen.

Die Wirkung von Midazolam, ein Mittel zur Narkosevorbereitung und Sedierung wird durch gleichzeitige Verabreichung von Pfefferminze gefördert und verlängert.

Bei einer Antibiotikabehandlung sehen naturgemäß die Bakterien dieses als Fremdstoff und bilden Beta-Lactamasen, welche die Wirkung der Antibiotika verhindern. Ätherische Öle hemmen die Produktion der Beta-Lactamasen und unterstützen somit die Wirkung von Antibiotika. Als Beispiel nannte er Cefazolin, welche unter gleichzeitiger Anwendung von Lavendelöl eine verstärkte Wirkung gegen MRSA aufweist. Rosmarin bildet mit Ciprofloxacin zusammen eine erfolgreiche Synergie gegen Klebsiella pneumoniae (Lunge, Urogenitaltrakt). Bei Candida albicans erwies sich die Kombination aus Nystatin und den ätherischen Ölen von Oregano, Teebaum und Rosengeranie als hochwirksam.

Bakterien kommunizieren chemisch  über Pheromone (Quorum sensing) und bilden so einen Biofilm, eine dünne Schicht auf anorganischen (beispielsweise Intubierungsschläuche) und organischen Oberflächen (Haut, Schleimhaut). Dieser Film bildet die Lebensgrundlage der Bakterien und erhöht deren Ausbreitung und Schwarmbeweglichkeit, somit sind Behandlungen erschwert. Ätherische Öle agieren als natürliche Quorum Sensing-Inhibitoren (z.B. Linalool, Terpen-4-ol, Geranial, Neral, Farnesol), sie stören die “Manöver-Absprachen” der Krankheitskeime erheblich.

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Bärbl Buchmayr im Open Space

Prof. Mag. pharm. Dr. Walter Jäger ging in seinem überaus lebendigen und kurzweiligen Vortrag auf den Einfluss der Wirksamkeit von Resorption, Verteilung, Metabolismus und Ausscheidung bei Terpenen ein. Er zeigte eine Aufstellung, mit welcher Geschwindigkeit Hydrocortison an verschiedenen Körperstellen über die Haut resorbiert wird:

  • Unterarm 1
  • Fußsohle 0,14
  • Rücken 1,7
  • Achselhöhle 3,6
  • Kopfhaut 3,5
  • Stirn 6
  • Hinterohrregion 13

Er merkte an, dass damit bestätigt sei, warum viele Frauen sich Parfum hinters Ohr geben – weil es schneller „reingeht“.

Ebenso erläuterte er, dass die Verteilung eines Stoffes im Körper sehr unterschiedlich ist – manche Regionen weisen eine 200 mal höhere Konzentration auf, als andere Körperstellen. Auch die Ausscheidung von Stoffen ist sehr unterschiedlich und somit deren Wirk-Zeitfenster – er brachte das Beispiel von Aspirin bei Kopfschmerzen  – die Wirkdauer beträgt hier nur etwa 2 Stunden.

Auch Dr. Jäger ging kurz auf die antitumorale Wirkung des Inhaltsstoffes d-Limonen ein – dieser ist in vielen ätherisches Öle enthalten, insbesondere in Zitrusschalenölen – und erläuterte eine Studie, die belegte, dass 12 Kapseln zu je 8g Tumorzellen bekämpften. Er berichtete zudem, dass Oreganoöl als ein natürliches „Antibiotikum“ bei Harnwegsinfekten interessanterweise keinen Nachweis von Thymol oder Carvacrol im Harn zeigt. Ausserdem sei generell zu sehen, dass der Spiegel von Stoffen im Harn bei Menschen mit hohem Body Mass Index geringer ist, als bei Menschen mit weniger Fettanteil, weil offenbar die Stoffe im Fettgewebe gespeichert werden und somit der Übergang in Blut und Harn geringer ist.

Univ.-Prof. PD Mag. pharm. Dr. rer. nat. Dr. phil Sabine Krist sprach über flüchtige Verbindungen in kaltgepressten pflanzlichen Fetten und Ölen – eine Tatsache die weniger bekannt ist. So finden sich z.B. Hexanal, 2-Pentylfuran, Terpene (alpha-Pinen, Limonen und viele weitere), kurzkettige Alkane und Monocarbonsäuren in kaltgepressten Fetten und Ölen. Neben der Tatsache, dass diese zum charakteristischen Aroma und Geruch der pflanzlichen Fette und Öle beitragen, können diese unter Zuhilfenahme modernster analytischer Techniken zur Entdeckung von Verfälschungen beitragen. So brachte sie das Beispiel, dass Mohnöl sehr oft mit Sonnenblumenöl verschnitten ist. Aufgrund der ähnlichen Fettsäureverbindungen ist selbst für hochgeschultes Personal dieser Schwindel erst ab ca. 40% Sonnenblumenölzugabe erkennbar!

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Wolfgang Steflitsch

Mag. Dr. rer. nat. Elisabeth Oberzaucher referierte über das spannende Thema „Der Mensch ist doch ein Nasentier – geruchliche Kommunikation beim Menschen”. Pheromone, wichtige Geruchsbotenstoffe sind wichtige nonverbale Kommunikationsmittel zwischen uns Menschen. Hier ist zu unterscheiden, zwischen Stoffen, wir unsere Körper selbst produziert und jene Geruchsstoffe, die als Stoffwechselprodukte von Hautparasiten entstehen. Erst durch enzymatische Aktivität von Bakterien entstehen die männlichen Pheromone Androstenon und Androstenol. Allerdings können sich nicht alle Bakterien gleichermassen ansiedeln, dies hängt von Immunsystem jedes Einzelnen ab, was verdeutlicht, dass Parasiten, die vom Immunsystem erkannt werden, infolgedessen erfolgreich bekämpft werden können und somit im Spektrum dieses Menschen keine Chance haben und daher im „Bukett“ fehlen. Dies wiederum erklärt, dass das Körpergeruch eines Menschen sehr stark an das Immunsystem gekoppelt ist.

Weibliche Pheromone kommen z.B. im Schweiß und im Vaginalsekret vor. Zur Zeit des Eisprunges werden auch weniger attraktive Frauen durch die im Sekret enthaltenen Copuline von Männern als äußerst attraktiv empfunden. Androstenon verleiht Aggressivität und Männlichkeit, soll andere Männern einschüchtern und auf Frauen stark und verlocken wirken. Frau Dr. Oberzaucher sprach die zwielichtigen Pheromonparfums an, die unter Umständen sich gegen den Verwender selbst richten können. Denn der “beduftete” Anwender setzt sich selbst der größten „Einschüchterungsdosis“ aus, hat somit selbst den höchsten Androstenonspiegel hat und ist dann im „Erfolgsfall“ nicht mehr wirklich „handlungsfähig“ 😉  Bei Frauen steigert Androstenon die Fruchtbarkeit und reguliert den Zyklus. Aber nicht nur Frauen, auch homosexuelle Männer werden von Andostrenon angezogen. Auch ein Geschäftszweig soll sich der einschüchternden, dominanten Wirkung von Androstenon bedienen: So erzählte Frau Dr. Oberzaucher, dass Inkassobüros ihre Forderungsschreiben an Kunden mit Androstenon besprühen. Derart präparierte Rechnungen werden angeblich eher bezahlt! Mittlerweile wenden dies angeblich auch schon andere Firmen bei der Ausstellung von Rechnungen an.

Damit dies alles überhaupt funktioneren kann, wirken Pheromone bereits unterhalb der bewußten Wahrnehmungsschwelle. Vermutlich würde man sonst aufgrund des zuweilen ekelhaften Geruches dieser Stoffe in höheren Konzentrationen diese auch gar nicht aushalten können.

Auch erklärte Frau Dr. Oberzaucher die bekannte Tatsache, dass Menschen vordringlich sich Partner mit einem unähnlichen Körpergeruch unbewusst suchen, um den Nachfahren ein breiteres Genspektrum zu bieten. Dieses stattet den Menschen mit einem möglichst variablen Immunsystem aus, welches die Fähigkeit, auf parasitäre Störungen zu reagieren, verbessert. Aber dem gegenüber steht dann doch wieder die Tatsache, dass gleich und gleich sich gern gesellt, weil ein gewisses Maß an Ähnlichkeit von Gerüchen als attraktiv empfunden wird. Bei der Ähnlichkeit wird z.B. die Ebene der Alltagstauglichkeit einer Partnerschaft angesprochen, ein harmonisches Miteinander. So kann umrissen werden, dass sich die Partnerwahl im Spannungsfeld zwischen „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ und „Gegensätze ziehen sich an“ abspielt. Diese einander entgegenwirkende Kräfte haben im Laufe der Evolution eine Präferenz für ähnliche, aber nicht zu ähnliche Körpergerüche entwickelt, sodass optimalerweise ein genetisch komplementär zum eigenen ausgestattetes Immunsystem das Ziel ist.

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Gerda Dorfinger

Der Kongress bot am Nachmittag den Teilnehmern dann auch noch die Möglichkeit im Rahmen eines OPEN SPACE sich verschiedene Stationen anzuschauen. Es wurden folgende Möglichkeiten geboten:

Ätherische Öle und Mikrobiologie – Frau Dr. Gerda Dorfinger brachte den Teilnehmern das Aromatogramm näher. Die TeilnehmerInnen konnten gezüchtete Kulturen unter dem Mikroskop betrachten und unterschiedliche Erreger sehen.

Frau Mag. pharm. Dr. Barbara Nasel ging auf das Thema „Düfte für Kinder“ ein.

Über „Psychodynamische Wirkmechanismen ätherischer Öle“ konnten man bei Frau Mag. pharm. Dr. rer. nat. Iris Stappen etwas erfahren.

Herr Dr. med. Wolfgang Steflitsch zeigte live Reflexzonentherapie am Fuß.

Bärbl Buchmayr zeigte sehr praxisnah, wie man eine „Duftende Ölkompresse“ bereitet und anlegt.

Wer mehr über die wichtige Arbeit der ÖGwA erfahren möchte, kann sich auf deren Website (klick!) informieren. In Zeiten, in denen jeden Tag mehr wissenschaftliche Erkenntnisse rund um ätherische Öle verdreht oder gar negiert werden (beispielsweise die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe), in denen völlig unkritische Menschen mit erfundenen “Fakten” und unsachgemäß durchzuführenden Anwendungen angeworben werden, um den schnellen Euro zu machen, können von den Wissenschaftlern dieses Verbandes seriöse Antworten erhalten werden.

Danke für diesen kurzweiligen Bericht, liebe Christine! Wer in Wien eine verantwortungsvolle Beratung rund um ätherische Öle sucht, ist bei der “ewig” erfahrenen Autorin dieses Berichtes, Christine Steiner, bestens aufgehoben, ein Blick auf Ihre Website (klick!) verrät mehr.              Alle Fotos: ÖGwA

Edit: In der ursprünglichen Version dieses Artikels bezogen sich die Wechselwirkungen des Johanniskraut auf das ätherische Öl. Das ist nicht korrekt. Die Wechselwirkungen entstehen bei hochkonzentrierten Extrakten aus Hypericum, also bei der Einnahme von Phytopharmaka mit hoch dosierten Johanniskrautauszügen. Diese unerwünschten Wirkungen entstehen NICHT bei der äußerlichen Anwendung von Johanniskrautölmazerat (Rotöl). Vielen Dank Dr. Häringer und Dr. Buchbauer für die Korrektur.