Irgendwann einmal hatte ich geschrieben, dass Zitronenmyrte (Backhousia citriodora F. Muell ) eines der wenigen Duft-Gewächse sei, das ich noch nicht ‚life‘ kennen lernen konnte. Tja, was soll ich sagen, seit heute kann ich zumindest einige halbtrockene Blätter des zitronen-duftenden Strauches mein Eigen nennen: Meine treue Leserin ‚Bastelfee‘ mailte mir nicht nur Fotos ihrer Pflanze, sondern schickte gleich noch einen Umschlag mit einigen der lorbeer-ähnlichen Blätter auf die Reise. Sie duften zart wie abgeriebene Zitronenschale. In der Heimat der wärmeliebenden Pflanze, im südlichen Osten Australiens (dort wo auch der Verwandte Teebaum zu Hause ist), werden die Blätter zur Verfeinerung von süßen und herzhaften Speisen verwendet.
Der wissenschaftliche Name erinnert an den britischen Botaniker, Missionar und Pflanzenhändler James Backhouse, der am 8. Juli 1794 geboren wurde. Sein Großvater, auch James Backhouse (1757-1804), war durch die Gründung einer bekannten Bank ‚Backhouse Bank‘ in Darlington, Co. Durham, die er zusammen mit seinen Söhnen Jonathan und James (1757-1804) betrieb, zu Reichtum gekommen. Die Familie war zudem im Leinenhandel tätig. Der kleine James war Asthmatiker und wurde oft zu befreundeten Quakern geschickt, auf deren Farm er half und wo er viel Zeit an der frischen Luft verbrachte. Er hatte Cousins und zwei Onkel, die sich mit Botanik befassten. Der frühe Tod seines Bruders Nathan mit 17 Jahren ergab den entscheidenden Einfluss auf das kurzatmige neunjährige Kind, das nämlich dessen Herbarium erbte. So studierte James später Botanik.
Im November 1922 heiratete er Deborah Lowe (1793-1827), die vier Jahre zuvor schwer erkrankte, sich nur mühsam erholte und auch nach der Eheschließung von schwächlicher Konstitution blieb (Bluthusten, vermutlich Tuberkulose). Sie starb – kurz nach dem Tod ihres dritten Babys, das nur 5 Wochen alt wurde – mit 34 Jahren am 10. Dezember 1827. Nachdem er eine 58-seiten-starke Gedenkschrift über ihr überaus frommes Leben und über ihr langsames und mühsames Sterben verfasst hatte, vertraute er 1831 seine zwei kleinen Kinder Familienangehörigen an und begab sich auf eine Pflanzensammel-Expedition, die auch als Missions-Reise gedacht war. James Backhouse ging nach Australien, Mauritius und ins südliche Afrika. Sein Bruder Thomas (1792-1845) kümmerte sich in den 10 Jahren Abwesenheit um die 1815 gemeinsam gegründete Pflanzenschule ‚James Backhouse & Son of York‘.
1851 reiste er mit seinem Sohn James (1825-1890, Botaniker, Geologe und Archäologe) nach Norwegen. Sie waren auch in der Arktis unterwegs und auf Pflanzen-Entdeckung in Großbritannien. Der Sohn wurde Korrespondent von Charles Darwin (1809-1882).
An den einst asthmatischen Jungen, der 1869 mit über 75 Jahren starb, erinnern neun Arten des Myrtengewächses der Gattung Backhousia, darunter unser wundervoll frisch-zitronig duftendes Zitronenmyrtenöl (klick!), das ein wertvoller Unterstützer in antiviralen Raumsprays sein kann. Die Anwendung auf der Haut sollte nur in 1%-iger Verdünnung erfolgen und nur mit Öl, das jünger als ein Jahr nach erstmaligem Öffnen der Flasche ist, zu Allergien neigende Haut kann mit dem Hauptinhaltsstoff Citral, wenn er oxidiert ist, Probleme bekommen. Ich möchte diesen feinen Duft dennoch nicht mehr missen und deshalb habe ihn in meinem Buch ‚Aromatherapie für Sie‘ – in dem ich nur 15 ätherische Öle vorstellen durfte, mit einigen Rezepturen gewürdigt und es ist somit auch Bestandteil des Ölesets von Feeling geworden. Die einzige nennenswerte Studie, die für unseren Bereich interessant sein könnte, befasst sich mit Dellwaren bei Kindern aus dem Jahr 2004, ich hatte bereits hier darüber geschrieben.
Abbildung oben: Bastelfee, Abbildung unten: Wiki Commons BotBln
Schöne große Blätter hat die Myrte. Ähnlichkeiten mit den Lorbeer Blätter obwohl die von der Fam. der Lauraceae stammen sind vorhanden oder? Die Myrte communis dagegen ist sehr klein.
Was für eine spannende Familiengeschichte hinter so einer Pflanze steht, echt toll 🙂 Danke für deinen Beitrag 🙂 Ich nehme die Zitronenmyrte gerne als „Duftersatz“ für das Lemongras her, die ist nicht ganz so extrem in ihrem Duft 🙂
Sonnige Grüße aus Dornbirn!
Sabine
Interessante Geschichte! Danke. . Habe die Lemon nyrtle soap uebeall in Austrália gesehen und natuerlich auch nach Brasilien mitgebracht. Meine Freundin vom „Santo Sabão“ will selber mit Zitronenmyrte versuche machen. Liebe Gruesse aus São Paulo
Ja, das waren noch abenteuerliche Zeiten! Ich habe rein zufällig gestern ein wunderschönes Buch von meinem Mann geschenkt bekommen: Das Herbarium der Entdecker, Humboldt, Darwin & Co – botanische Forscher und ihre Reisen von Florence Thinard. Da geht es natürlich nicht nur um Aromapflanzen, aber die Geschichten sind ähnlich spannend und abenteuerlich wie die von Herrn Backhouse, der aber nicht darin vertreten ist. Ausserdem sind die damals getrockneten Pflanzen wunderschön fotografiert. Ein Buch für echte Pflanzenliebhaber zum Schmökern und „going back to the roots“. Es hat mich erstaunt wie viele hier bekannte Pflanzen eigentlich gar nicht von hier stammen. Ich sehe die dann zukünftig mit ganz anderen Augen.
Das Öl der Zitronenmyrte kenne ich noch nicht, steht aber dank Deiner spannenden Berichte, liebe Eliane, auf meiner Wunschliste.
Liebe Grüße!
Denise
Liebe Eliane,
nachdem ich der Zitronenmyrte vor einigen Jahren einmal völlig unerwartet in einem Baumarkt für biologische Baustoffe „begegnet“ bin, gehört sie zu meinen absoluten Lieblingsölen! Schade, dass Primavera sie nicht mehr hat. Sehr interessant, was Du über den Hintergrund schreibst!
Viele Grüße,
Conni
Liebe Eliane,
ich freue mich, dass Du so umfangreich über die Zitronenmyrte berichtest. Ich habe förmlich den Duft der zerriebenen Blätter in der Nase. – Zusätzlich steckt dahinter eine wirklich einzigartige Familiengeschichte, die so nur das Leben schreibt.
Meine Pflanze gedeiht bisher noch im Topf und ich hoffe, dass
sie eines Tages zu einem großen, blühenden Strauch heranwächst.
Duftige Grüße von Bastelfee Alberte