Am vergangenen Freitag, den 15. Oktober, trafen sich über 100 Gäste und viele engagierte Referentinnen und Referenten zu einem Erfahrungs- und Wissensaustausch über den Einsatz von ätherischen Ölen im psychiatrischen Bereich. Gastgeber war ein aromaerfahrenes Team der Universitären Psychiatrischen Kliniken in Basel, Initiatorin war die Aromatherapeutin Regula Rudolf von Rohr. Sie kann auf viele Jahre der therapeutischen Erfahrung mit den natürlichen Essenzen zurück blicken und sie hat volle Rückendeckung durch die zuständige Ärzteschaft.
Auch Christoph Cassidy, Leiter Pflege und Qualität der UPK Basel ist vom Nutzen von Aromatherapie und Aromapflege in seinem Hause überzeugt.
Jean-Claude Richard von Farfalla begann den Tag mit ungewollt kritischen Worten und Prognosen. In seinem wunderbar anschaulichen Vortrag ‘Warum “Bio” auch bei Duftstoffen logisch ist’ zeigte er auf, was die moderne Landwirtschaft seit fünfzig Jahren mit ihren immer noch circa 500 Pestiziden anrichtet (circa 300 wurden – zumindest in der EU – verboten). Lebensmittel werden aber nur auf circa 200 dieser Giftstoffe kontrolliert (was wir wohl alles mit essen???). Ätherische Öle können diese gesundheitsschädigenden Moleküle – beides sind fettlösliche Substanzen – in ungünstigen Mengen enthalten, darum ist es wirklich ein Muss, für die Aromapflege bio-LOGISCH einzukaufen. Mal abgesehen davon, dass man mit diesem Verhalten die mühselige, rückenschindende Arbeit der Kleinerzeuger unterstützt, keine moderne Sklavenarbeit subventioniert und vieles mehr.
Destruktive, nicht nachhaltige Erntetechniken aus Wildsammlung, unkontrollierter Handel, Schmuggel sowie Betrug machen den Vertrieb von ätherischen Ölen zunehmend aufwändiger. Südfranzösischer Lavendel ist derzeit auch noch durch zwei Krankheiten stark bedroht, selbst die harten Chemiekeulen wollen nicht mehr recht helfen. Das ist einer der weiteren hohen Preise, den man bei extensiver Monokultur zahlen muss. Das blaue Duftwunder kommt heute zunehmend aus östlichen Ländern: Bulgarien und die Ukraine produzieren auf je 3000 Hektar bereits jeweils 40 Tonnen des beliebten Öles, China bewirtschaftet immerhin schon 1300 Hektar, um sich mit 30 Tonnen am Welthandel zu beteiligen. Lavandin wird übrigens zwanzig mal mehr produziert als Lavendel und 90 Prozent davon gehen an Duft-Riesen wie Procter & Gamble, Unilever, Colgate, Henkel usw.
Jean-Claude Richard zeigte wunderschöne Fotos von den Bioprojekten an diversen noch sehr abgelegenen Orten, vor allem vom ersten Bio-Dorf Europas Correns, in dem neben Wein und Oliven auch viele Felder mit aromatischen Kräutern für ein besonderes Mikroklima sorgen. Weil das malerische Dorf zudem von einer Hügelkette umgeben ist, hofft man, dass diese fast abgeschlossene Region von den schrecklichen Lavendelkrankheiten verschont bleibt. Der erfahrene und passionierte Aroma-Mann berichtete schmunzelnd, dass jeder Besuch dort in Süd-Frankreich mindestens eine Woche vorher angemeldet werden muss, da ein sehr prominentes Schauspieler-Paar im Dorf ein Schloss erworben hat und Angst vor Paparazzi hat.
Ein aufrüttelnder Exkurs ging am Schluss seines Vortrags noch in die Welt der künstlichen Aromen, welche uns und vor allen den jungen Menschen regelrecht den Appetit verderben, ohne dass es aber so recht bewusst wird. Echtes Erdbeer- oder Vanillearoma wird heutzutage oft als schwach oder unecht empfunden, da die Labor-Duftstoffe meistens viel intensiver duften. Erstaunliche Zahlen waren zu vernehmen: 1000 Tonnen echten Vanillearomas stehen derzeit 13000 Tonnen synthetischem Vanillearomas gegenüber. Was diese frankensteinschen Riechstoffe mit uns, unserem Verhalten und unseren Gehirnwindungen macht, sollte wohl besser verschwiegen werden, wenn es denn je erforscht werden wird….
Im nächsten Vortrag beschrieb die Pflegefachfrau Regula Rudolf von Rohr ihre Tätigkeiten und Erfahrungen mit kranken Menschen. Sie wird als Aromatherapeutin bezahlt, darf also auf Anweisung der betreuenden Ärzte intensiver als “nur” aromapflegerisch arbeiten. Sie hat ursprünglich ihre Arbeit bei Martin Henglein erlernt, diese dann im Laufe der Jahre an die Bedürfnisse dieser sensiblen Patientengruppe angepasst. An den Universitären Psychiatrischen Kliniken gibt es also beide Arbeitsfelder: Aromatherapie und Aromapflege, welche Hand in Hand gehen.
Es folgte ein erfrischend-lustiger Bericht über zahlreiche Versuche und Irrtümer aus dem Arbeitsfeld der psychiatrischen Gesundheits-und Krankenschwester Claudia Arbeithuber aus Linz in Österreich. Sie betonte immer wieder die Notwendigkeit von unglaublich geringen Dosierungen, oft nur 1 Tropfen eines ätherischen Öles auf 100 ml fetten Öles. Denn psychiatrische PatientInnen sind meistens ungemein sensibel und reagieren oft übermäßig auf Reizüberflutung. So muss auch zunächst mit Berührungen sehr bewusst umgegangen werden und es darf zunächst allenfalls den Körperbereich mit Ölen behandelt werden, den die Kranken als angenehm empfinden. Düfte in minimalen Mengen und sanfte Streichungen haben dann oft bemerkenswerte Wirkungen. Uns wurde der Fall einer jungen Frau ausführlich vorgestellt, die sich extrem selbst verletzte und über die Jahre mit selbst gewählten und teilweise eher hoch dosierten ätherischen Ölen aus diesem Teufelskreis entkommen konnte.
Die Münchener Fachkrankenschwester und Wundexpertin Monika Volkmann berichtete in ihrem Vortrag ‘Osmologische Aroma-Wund-Pflege’ (OAWP) über viele Besonderheiten bei der Wundversorgung mit ätherischen Ölen, zusammen mit oder auch ganz ohne die hochmodernen Produkte zur Behandlung von Wunden. Die Kombination beider Verfahren kann sowohl in der Lokalantiseptik, in der Pflege von Wunden als auch in der Pflege der Wundumgebung bestehen. Im psychiatrischen Bereich wird man oft mit Sebstverletzungwunden konfrontiert: mit Schneiden, Kratzen, Ritzen, Stechen, Kopfschlagen, Trichotillomanie, Beißen, Zerkauen, Verbrühungen, Verbrennungen und vielem mehr. Dadurch spüren die Erkrankten sich oft besser, eine Verstärkung des psychischen Drucks kann erfolgen, die (verstärkte) Aufmerksamkeit der Umgebung wird gefordert.
Für die Lokalantiseptik haben sich folgende 100 % naturreine ätherische Öle seit circa 15 Jahren im klinischen Bereich bestens bewährt: Echter Lavendel (Lavandula angustifolia), Thymian (Thymus vulgaris CT Linalool) und Niaouli (Melaleuca quinquenervia). Sie können mit Ringerlösung verschüttelt werden (250 ml RL + 10 – 20 gtt*), einer Grundmischung aus den genannten oder ähnlichen ätherischen Ölen zugefügt werden oder 2 – 3-prozentig mit hochprozentigem Alkohol zu einem Wundspray in einer Sprühflasche vermischt werden. Die Wundumgebung kann mit 0,5 – 3%igen Mischungen je nach Indikation und Häufigkeit gepflegt werden, das ist insbesondere nötig, wenn Wundnähte oder die Verbände aus Kunststoff hergestellt sind. Bei oberflächlichen akuten Wunden nimmt Frau Volkmann 2 – 3%ige Mischungen als Auflage oder Einreibung.
- 4 gtt Citrus paradisii (Grapefruit)
- 2 gtt Citrus bergamia (Bergamotte)
- 2 gtt Citrus reticulata (Mandarine)
- 1 gtt Anthemis nobilis (Kamille römisch)
- 1 gtt Vanilla planifolia (alkoholischer Vanilleextrakt)
Hej Eliane,
für all die wunderschönen, interessanten Beiträge ohne einen Kommentar von meinem einen hier jetzt ein riesen Danke. Ich lese sie immer und wenn ich eben zwischendrin auf Arbeit luscher.
Es wäre schön, wenn solche Kongresse auch mal im weiter im Norden stattfinden würden……
Da sieht man ganz deutlich das Nord-/Südgefälle in der Aromatherapie/-pflege.
Knuddel
Gaby
Liebe Eliane,
ein wunderschöner Post!!! Soviele tolle Infos, für alle die, die nicht beim Kongress waren. DANKE und ENDLICH endlich MEHR zu Aromapflege/Therapie und Psychatrie! Das von Claudia Arbeithubers Vortrag war auch auf Aroma-Kongress 2008 in Wien bei gamed zu hören.
Ich wünschte oft, ich wüsste sooooviel sooooviel mehr, als ich weiß!
lg marta
Liebe Eliane
ganz herzlichen Dank für den interessanten und ausführlichen Bericht. Da ich den Kongress verpassen musste, ist es umso schöner von kompetenter Seite darüber zu lesen.
Dein Blog steht seit einer Woche auf meiner Internet Startseite und so verpasse ich nichts mehr von deinen spannenden und wunderschönen Informationen.
Vielen Dank vor allem für die kostbare Zeit, die du für uns LeserInnen investierst.
Liebe Grüsse
Margrit
WOW! Wie immer danke, liebe Eliane, für die tolle Berichterstattung. Da wäre ich auch gerne dabei gewesen, da mich das Thema sehr interessiert. Leider ist mein Urlaub und meine Zeit dieses Jahr ziemlich ausgebucht.
Es wäre schön, wenn man diese interessanten Beiträge als Script zu kaufen bekäme. Kurt Schnaubelt (Pacific Institute of Aromatherapy) organisiert ja regelmässig eine Konferenz zu einem bestimmten Aroma-Thema und bringt die Beiträge anschliessend als Buch heraus. Aber es muss nicht unbedingt ein Buch sein, Kopien wären auch schon toll.
Zum Thema Nord-Süd-Gefälle hoffe ich auch, dass mal etwas im Raum Luxemburg-Trier veranstaltet wird. Du hast doch einige Krankenschwestern aus dem Hôpital Neuropsychiatrique in Ettelbrück (L) ausgebildet. Vielleicht kommen mal Resultate und Erfahrungsberichte aus der Ecke.
Ich wünsche mir das mal … auch für alle andren Aroma-Freunde.
Alles Liebe!
Denise
Wie immer hochinformativ, dafür vielen Dank.
Ich bin bei einem meiner Vorträge auf Kräuter in der Hospizpflege angesprochen worden. Natürlich kam mir die Aromatherapie als Erstes in den Sinn. Gibt es darüber schon Abhandlungen?
Liebe Eliane,
vielen dank für diesen informativen Post.
Bei meinem Vater waren Agitation und Angst die Zustände, wo ich mit ätherischen Ölen einiges bewirken konnte.
Viel Hektik um ihm herum machte ihn ängstlich und nervös, da half sehr ein Tempo in der Brusttasche seines Hemdes mit einigen Tropfen grüner Zitrone.
Liebe Grüße
Kordula
Hier die gute Nachricht für alle, die sich für die Handouts und Präsentationen dieser Veranstaltung interessieren. Auf folgendem Link stehen die freigegebenen Unterlagen für einen begrenzten Zeitraum zum Download bereit.
http://www.upkbs.ch/forms/events.asp?Q=1081&T=Agenda
Nochmal herzlichen Dank für das Engagement aller, die in irgendeiner Form mitgeholfen haben!
Liebe Grüsse aus Basel
Regula
Vielen Dank, Regula, für die interessante Dokumentation!
Liebe Grüsse
Denise
Liebe Eliane,
vielen Dank für den ausführlichen Bericht, die Tagung war wirklich ganz toll und sehr interessant 🙂
Regula hat wirklich super Arbeit geleistet mit der Organisation, Kompliment, liebe Regula und vielen Dank für die interessanten Dokumentationen!
Wow, was seid ihr nur für Power-Frauen 😉
Das Mikrophon von Jürgen Ott sieht aber komisch aus *grins*.
Von dieser Fotoreihe könnte man ein Spiel daraus machen. “Eins von den Dingen gehört nicht zu den anderen…” ;-).
Ansonsten ein schöner Bericht.
Duftende Grüße aus Rodenberg,
Tina
Liebe Eliane
der Kongress war das Beste was ich in den letzten Jahren besucht hatte. Konnte sehr viel mitnehmen von den Erfahrungen der einzelnen Vorträge. Werde sicher einiges anwenden und umsetzen in unserer Klinik wo ich arbeite.
Vielen Dank.
Lieben Gruss Roswitha
Hallo Eliane
Vielen Dank für den Bericht über den Kongress. Ich freue mich aktuelles darüber zu erfahren. Schönen Dank auch an Regula für den Link zu den Inhalten.
Ich werde es nun in aller Ruhe lesen.
Liebe Grüße aus Nordfriesland
Manfred