Einer der vielen Hypes im Bereich der Anwendung von ätherischen Ölen ist die von gewissen gewinnorientierten Anbietern angepriesene Einnahme ätherischer Öle (die meistens noch nicht mal von anerkannter Stelle bio-zertifiziert sind), insbesondere Oreganoöl steht dabei oft im Fokus. Ich hatte dazu interessante Gespräche auf der wieder wunderbaren Konferenz Botanica2018 in Brighton, Ende August und Anfang September südlich von London.

Das Wetter am wunderschönen Strandbad war mehr als sensationell, an 3,5 Tagen waren inspirierende Vorträge und noch mehr Workshops zu genießen, fast 400 TeilnehmerInnen aus knapp 50 Ländern waren mit dabei, auch mit spannenden Ausstellern und mehreren engagierten Klein-Destillateuren konnten wir fachsimpeln.

In einer mir fremd werdenden Ätherische-Öle-Welt, wo Kommerz, Konkurrenzkämpfe und Massendenken immer mehr im Vordergrund stehen, haben mich die Gespräche mit diesen bodenständigen und bescheidenen Menschen wohl am meisten und tief berührt. Zusammen mit meiner sehr geschätzten Hydrolate-Kollegin aus dem Staat Washington im Nordwesten der USA, mit Ann Harman (auf dem Foto zu meiner Rechten in der weißen Bluse), moderierte ich den Samstag-Vormittag, der mit dem Vortrag von einem deutschen Professor eingeläutet wurde.

Ich möchte zum Auftakt meiner Zusammenfassungen über die neuen Erkenntnisse, die ich aus Brighton mitbrachte, auf einen wichtigen Hinweis aufmerksam machen, den der Tasmanische Forscher Dr. Jason Hawrelak in seinem Vortrag erläuterte (dritter von links). Denn seit einigen Jahren wird von einigen der besagten Anbieter die Einnahme von Oreganoöl “einfach so” empfohlen, beispielsweise um ein vermeintlich träges Immunsystem “zu stärken”.

Diese Empfehlung macht auch in Bezug auf Kinder nicht halt. So schilderte mir eine junge Mutter, von Beruf Ärztin, wie sie die auf einer Verkaufsveranstaltung angepriesenen Tugenden dieses Pizzagewürz-Naturmittels glaubte, und ihrem sehr kleinen Kind bis zu drei Tropfen Oreganoöl täglich innerlich verabreichte.

Der Darmbakterien-Spezialist wies auf seinem Vortrag darauf hin, dass inzwischen das Mikrobiom in unserem Körper als eigenständiges Organ betrachtet wird. Es besteht aus über 1000 Spezies an lebendigen Mikroorganismen, das sind 10¹⁴ (eine 1 mit 14 Nullen) winzige Lebewesen, die normalerweise mit uns in Frieden leben, die sogar unabdingbar für unser gesundes emotionales und körperliches Leben sind. Ja, auch unsere Stimmung sowie unsere Emotionen werden von den kleinen Kreaturen beeinflusst, wenn nicht gar dirigiert! Schätzungen besagen, dass es rund die gleiche Anzahl an Bakterien an und in uns gibt wie unsere gesamten Körperzellen!

Dr. Hawrelak erläuterte, dass 95% an eingenommenen Phenolen unseren Dickdarm erreichen können und mit den dort angesiedelten Keimen interagieren. Im positiven wie auch im negativen Sinn. Diese phenolischen Verbindungen können aus Obst, Gemüse und Rotwein stammen, und sind auch in Gewürzen sowie ätherischen Ölen (Zimtöl und Zimthydrolat, Thymian Thymol-Öl, Bohnenkrautöl, Gewürznelkenöl, Oreganoöl) enthalten (Foto oben).

 

In meinem Garten ernteten wir Oregano, das “wie ein Unkraut” wuchert,  wir zeigen eindrücklich, wie viel Oreganokraut in einem Tropfen Oreganoöl steckt. Würden Sie diesen Büschel Oregano, den ich in meiner Hand auf dem Bild halte, JEDEN Tag essen? Und das jeden Tag über mehrere Wochen? Darin ist weniger als 1 Tropfen Oreganoöl enthalten! Aber schauen Sie selbst!

Klar ist inzwischen, dass es sich bei Oreganoöl um ein starkes Natur-Antibiotikum handelt, das wurde seit den 70er Jahren in unzähligen Aromatogrammen nachgewiesen; bereits über 60 Jahre zuvor wurden diesbezüglich erste Untersuchungen durchgeführt und der Begriff Phenol-Koeffizient entstand: Seinerzeit wurden starke Desinfektionsmittel mit Oreganoöl verglichen und bewertet (1903 – beschrieben in Kapitel 3.3.1 in meinem Fachbuch Aromatherapie für Pflege- und Heilberufe). Dieses scharfe ätherische Öl kann freilich auch die “guten” Bakterien der Darmflora angreifen und abtöten. Die tagelange oder gar wochenlange Einnahme von Orgeanoöl kann also das im Darm sitzende Mikrobiom genau so empfindlich stören wie die Einnahme von Antibiotika.

Dr. Hawrelak empfahl darum dringend, nach so einer Oregano-Kur auch eine Darmsanierung mit präbiotischen Kulturen durchzuführen. Was übrigens jaut seinen Warnungen noch extremer auf die Darmbakterien wirkt ist Grapefruitkernextrakt (Citricidal), er sagte fast etwas verächtlich, dass das Zeug “alles killt”, dass es für die Darmbesiedlung schlimmer sei als Clindamycin (ein Antibiotikum, das für seine darmschädigende Wirkung bekannt ist) und zudem eine erhebliche Zytotoxizität auf menschliche Zellen aufweisen kann. Das könne allerdings an den oft zugesetzten bedenklichen Stoffen wie Triclosan, Benzethoniumchlorid und Methylparaben im Grapefruitkernextrakt liegen.

Eliane Zimmermann Schule für AromatherapieAuch im Sinne der nachfolgenden Generationen betonte Dr. Hawrelak, dass wir selbst unsere Darmpolizei seien, dass wir auf unsere Mikro-Mitbewohner aufpassen müssen und dass wir diese möglichst intakt erhalten. Denn wir können an die nächsten Generationen nur das weiter geben, was wir selbst hegen und pflegen. Im Sinne von emotional und körperlich gesunden Nachfahren und Familienangehörigen.

Wer gerne mit ätherischen Bio- oder Demeter-Ölen Speisen und Getränke zubereiten möchte, kann sich von zwei wunderschönen Büchern inspirieren lassen: Aromaküche von Sabine Hönig und Ursula Kutschera und Duftküche von Duftküchen-Pionierin Maria Kettenring. Mit Demeter-Ölen kann im Privatbereich jederzeit Speisen zubereitet werden (diese können je nach Anbieter als Kosmetik oder als Bedarfsgegenstand oder als Lebensmittel deklariert werden, der Inhalt kann jedoch haargenau identisch sein); für den öffentlichen Bereich sind die speziell dafür zugelassenen Bio-Öle beispielsweise von Vegaroma geeignet.

Ich habe immer gute Oreganokapseln vorrätig, sie sind im Falle eines Infektes sinnvoll und können auch die Wirkung von nicht mehr wirklich ansprechenden Antibiotika erhöhen. Sie sind in Bio-Qualität (anerkanntes unabhängiges Siegel) erhältlich: Pranarom. Das die Schleimhäute angreifende ätherische Öl sollte jedoch – wie erwähnt – nicht “einfach so” eingenommen werden, sondern nur bei Infekten, und niemals unverdünnt.

PS: Die 3. Auflage meines Buches “Hydrolate – die vergessene Dimension der Aromatherapie und Aromapflege” ist wie gehabt bei meinem kleinen Verlag bei Aromapflege Evelyn Deutsch unter diesem Link bestellbar. Doch auch beim Bücher-Riesen, den ich nicht wirklich gerne unterstütze, ist es inzwischen erhältlich (er nimmt kleinen Verlagen fürchterliche “Mitglieds-Beiträge” ab).

Foto Botanica: Doris Karadar, Bioparadies

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